Nervöse Koalition will Streitpunkte ausräumen
Schlechte Umfragewerte zwingen Schwarz-Rot zu sachlicherer Debatte – Spitzentreffen im Kanzleramt
BERLIN (dpa) - Es ist zwar das Problem der SPD, aber langsam hat deswegen auch die Union ein mulmiges Gefühl. In jüngsten Umfragen liegen die Sozialdemokraten unter 20 Prozent in der Wählergunst. CDU und CSU selbst sind meilenweit von ihren Traumwerten über 40 Prozent entfernt und liegen bei 33 Prozent und weniger. Die rechtspopulistische AfD hat starken Rückenwind.
Deshalb nahmen sich die Parteiund Fraktionschefs von CDU, CSU und SPD – und zeitweise auch wichtige Minister – für ihr Treffen am Mittwochabend im Kanzleramt vor, wenig zu streiten und viele Ergebnisse zu erzielen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU- Chef Horst Seehofer trafen sich mit ihrem engsten Führungspersonal dafür extra am vorigen Sonntag. Man habe sich wieder lieb, wurde in Unionskreisen gewitzelt. Wohlwissend, dass das vielleicht nur eine Momentaufnahme ist. Denn die CSU-Attacken gegen Merkel wegen der Flüchtlingspolitik bis hin zur bayerischen Klageandrohung gegen die Bundesregierung haben viel Vertrauen zerstört.
CSU-Klage kommt nicht
Zu dieser Klage werde es nicht kommen, verlautet aus CSU-Führungskreisen. Erstens, weil sich die Lage durch die faktische Schließung der Balkanroute für die Flüchtlinge entspanne. Zweitens, weil es viele in der CSU selbst für ein Desaster hielten, wenn die CSU-geführte bayerische Landesregierung gegen die Bundesregierung klagte, der die CSU angehöre. Die Menschen könnten die Streitereien nicht mehr hören, sondern wünschten sich Resultate.
Das Problem ist aber, dass alle drei Seiten ihre Positionen der Harmonie wegen nicht über Bord werfen können. Denn gerade, weil der Druck durch die miserablen Umfragewerte so groß ist, wollen CDU, CSU und SPD ihre Wähler bedienen. So wurde weiter heftig gerungen um ein Integrationsgesetz, Leiharbeit und Werkverträge, die Reform der Erbschaftsteuer, der Rente, die Altersvorsorge und die Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.
Bei der Erbschaftsteuer, bei der die Koalition auf Druck des Bundesverfassungsgerichts bis zum Sommer liefern muss, war bis zuletzt offen, ob Seehofer einlenkt. Einigungschancen wurden bei mehr Hilfen für Behinderte, bei Anti-TerrorMaßnahmen sowie Kaufanreizen für Elektroautos gesehen.
Merkel dringt darauf, alle schwarz-roten Vorhaben noch vor der Sommerpause durch das Kabinett und bis Weihnachten durch den Bundestag zu bringen. Denn dann beginnt schon bald der Wahlkampf, weil es vor der Bundestagswahl noch mehrere Landtagswahlen gibt. Es handele sich um insgesamt etwa 50 Themen, verlautet aus der Union.