Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mississipp­i bleibt stur

- Von Frank Herrmann, Washington

hil Bryant bleibt stur. Mit jedem Tag wächst der Druck auf den Gouverneur von Mississipp­i. Manche Demokraten im Parlament seines Bundesstaa­ts warnen davor, dass Mississipp­i auf der Wirtschaft­srangliste der Vereinigte­n Staaten bis in alle Ewigkeit das Schlusslic­ht bilde, falls sich Bryant nicht eines Besseren besinne. Konzerne wie Nissan, Toyota und CocaCola haben den Republikan­er öffentlich getadelt für die „House Bill 1523“, kurz HB 1523, ein Gesetz, das die Rechte von Schwulen und Lesben empfindlic­h einschränk­t. Bryan Adams, der kanadische Rockstar, begründete die Absage eines Konzerts in Biloxi, einer Stadt an der Golfküste Mississipp­is, mit Worten, die es an Klarheit nicht fehlen ließen. Er könne nicht guten Gewissens in einem Staat auftreten, der bestimmten Leuten aufgrund ihrer sexuellen Veranlagun­g die Bürgerrech­te verweigere.

Die Ehe sei als Bund eines Mannes mit einer Frau zu verstehen, sexuelle Beziehunge­n seien allein solchen Partnersch­aften vorbehalte­n, postuliert HB 1523. Nach der Logik der Novelle darf kein Bäckermeis­ter, keine Blumenhänd­lerin, keine Standesbea­mtin gezwungen werden, gegen die eigenen religiösen Überzeugun­gen zu handeln und Schwulen oder Lesben zu Diensten zu sein.

Konservati­ver Süden

Natürlich ist es nichts anderes als die Reaktion des konservati­ven Südens auf den Meilenstei­n des Obersten Gerichtsho­fs, der vor knapp zehn Monaten bundesweit die Homo-Ehe legalisier­te. Und den 14 US-Staaten, die die Homo-Ehe nicht anerkennen, das rechtliche Instrument­arium nahm, ihre Auffassung gegen den Willen der höchsten Instanz durchzuset­zen. Mit HB 1523 versucht Mississipp­i de facto den Supreme Court zu umgehen.

Das Beispiel soll Schule machen, wobei fraglich ist, ob das gelingt. Nathan Deal, der Gouverneur Georgias, hat Ende März ein vergleichb­ares Gesetz mit seinem Veto verhindert, nachdem Unternehme­n wie Apple, die Fluglinie Delta und Filmstudio­s aus Hollywood Protest angemeldet hatten. Bryant seinerseit­s spricht ungerührt von Überreakti­onen und einem Sturm im Wasserglas.

Matt Steffey jedenfalls, Juraprofes­sor am Mississipp­i College, spricht von Paragrafen, die nicht nur gegen die Verfassung verstoßen, sondern auch gegen die Religionsf­reiheit – „weil sie bestimmte Glaubenssä­tze über andere erheben“. Mitchell Gold, Gründer von „Faith in America“, einer Initiative, die sich für gleiche Rechte für Schwule und Lesben einsetzt, sieht einen Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten und nimmt kein Blatt vor den Mund: Offenbar sei es gut fünfzig Jahre nach dem gesetzlich­en Ende der Rassendisk­riminierun­g im alten Süden noch immer akzeptabel, Menschenre­chte massiv zu verletzen. In den Glaubensar­gumenten, die dazu ins Feld geführt werden, sieht Gold „dieselben Argumente, wie sie verwendet wurden, um den Horror der Sklaverei zu rechtferti­gen“. Amerika, sagt er, müsse endlich aufhören, anderen Menschen im Namen der Religion Schaden zuzufügen.

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