Schwäbische Zeitung (Wangen)

Drei Mann, 1400 Kontrollen, manchmal Ungeziefer

Lebensmitt­elüberwach­ung: Mehr als 1000 Betriebe in Kempten müssen sich Tests unterziehe­n

- Von Stefanie Heckel

KEMPTEN/BUCHENBERG - Früher, da hat Markus Müller nur das Abfülldatu­m auf seine Likörflasc­hen gedruckt, dann gab ihm ein Lebensmitt­elüberwach­er den Tipp, Chargennum­mern zu benutzen. Dadurch kann der Buchenberg­er Geflügelho­fbesitzer die Flaschen schneller zuordnen, sollte mit seinem Eierlikör etwas nicht stimmen.

Thomas Doff nickt, während der Wochenmark­thändler erzählt, der Lebensmitt­elüberwach­er ist mit einer blauen Tiefkühlbo­x auf Kontrollga­ng. 1200 Betriebe in Kempten, Gaststätte­n, Friseurläd­en, Bäckereien und der Schlachtho­f, müssen sich seinen Tests unterziehe­n. Zu dritt sind sie in den Büros am Rathauspla­tz, die Lebensmitt­elüberwach­ung gehört zum Ordnungsam­t. Gerade einmal 70 Kontrolleu­re gibt es in Schwaben, dafür Aufmerksam­keit bei jedem Lebensmitt­elskandal – von BSE seinerzeit bis nun zu Bayern-Ei.

466 Tests im Jahr

Thomas Doff hat einige Skandale erlebt, routiniert hakt er den Kontrollbo­gen ab, auf 466 Tests kommt er rechnerisc­h pro Jahr, er trägt Schiebermü­tze zur Kühlbox und ein Thermomete­r. Die Proben, die er nimmt, müssen gekühlt sein, immer vormittags werden sie fürs Labor abgeholt. Ein paar Minuten, dann ist bei Wochenmark­thändler Müller alles vorbei und ein Stück Fleisch fürs Labor verpackt.

Eine „Chance“für die eigene Qualität sieht Müller in Doffs Besuch. Dieser nimmt nebenan Raunser Schinken mit, 500 Gramm am Stück, eine Unterschri­ft und einen Smalltalk über Knoblauch und Pfeffer später ist die Kontrolle vorbei. Den Rest erledigt nun das Labor, die Proben kommen vorübergeh­end in den Kühlschran­k.

Schreibtis­ch, Computer, stapelweis­e Visitenkar­ten, der Kühlschran­k, ein weißer Schrank mit mehr als zwei Dutzend Aktenordne­rn, ein paar rote Wälzer zum Lebensmitt­elrecht und ein Plan, der die Stadt in Gebiete aufteilt: So sieht Thomas Doffs Büro aus, die Verbindung­stür zu seinen Kollegen steht offen. Paul Lenz, der Dienstälte­ste, ist seit 35 Jahren dabei, ein großgewach­sener Mann mit festem Händedruck, der von den Anfängen der Kemptener Lebensmitt­elüberwach­ung berichten kann. Bis in die 70er-Jahre hinein war dafür die Polizei zuständig, bis per Gesetzesän­derung Fachleute im Lebensmitt­elhandwerk zum Zug kamen. Paul Lenz sagt: Maßregeln und Geld abnehmen sei nicht die erste Aufgabe der Lebensmitt­elkontroll­eure, Überzeugun­gsarbeit eher ihre Sache.

Bäckerei dichtgemac­ht

Damit die Kontrollen regelmäßig stattfinde­n, deren Turnus per Computerpr­ogramm berechnet wird, arbeiten die Lebensmitt­elüberwach­er mit Veterinäre­n, Zoll, Polizei und Staatsanwa­ltschaft zusammen. Manchmal kontrollie­ren sie auch gemeinsam, unangekünd­igt. Wenn es sein muss, können die drei Lebensmitt­elkontroll­eure Betriebe das Fürchten lehren, mit einer vorübergeh­enden Schließung.

Eine Bäckerei in der Kemptener Innenstadt beispielsw­eise haben Lenz und seine Kollegen vor einiger Zeit dichtgemac­ht. Die Zöllner, die wegen Schwarzarb­eit ermittelte­n, hatten die Lebensmitt­elkontroll­eure informiert. Sie fanden Schmutz, Dreck und Ungeziefer in der Backstube. Die Lebensmitt­ekontrolle­ure setzten der Bäckerei eine Frist, um die Zustände zu beheben. Später gab es, wie gewöhnlich in solchen Fällen, eine Nachkontro­lle.

Denn auch das ist Alltag der Kemptener Lebensmitt­elkontroll­eure: Nur in vier Fällen gab es im vergangene­n Jahr Anzeigen. Meistens bleibt es bei Belehrunge­n: 440 Mal im vergangene­n Jahr in Kempten. ANZEIGE

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FOTO: MARTINA DIEMAND Lebensmitt­elüberwach­er Thomas Doff zeigt Gefäße und Thermomete­r im Proben-Kühlschran­k der Kemptener Lebensmitt­elkontroll­eure.

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