Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kommunen begrüßen Sperrzonen

Grüne und CDU wollen örtlich und zeitlich begrenzte Alkoholver­bote ermögliche­n

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Wer nach 22 Uhr Alkohol einkaufen will, hat in BadenWürtt­emberg schlechte Karten – noch. Die grün-schwarze Landesregi­erung will das unter Grün-Rot verabschie­dete nächtliche Alkoholver­kaufsverbo­t kippen. Stattdesse­n sollen die Kommunen die rechtliche Möglichkei­t bekommen, an manchen Orten und zu gewissen Zeiten das Trinken von Alkohol zu verbieten. Manche Kommune, die mit Alkoholkon­sumverbote­n in der Vergangenh­eit gute Erfahrunge­n gemacht hat, freut sich über diese Änderung.

Anwohner sehen Probleme

In einem langen Prozess hatte sich die grün-rote Landesregi­erung mit der Frage befasst, wie Saufgelage in Städten und die unschönen Folgen eingedämmt werden können. Dafür wurde Anfang 2013 der Runde Tisch „Lebenswert­er öffentlich­er Raum“ins Leben gerufen. Für die wissenscha­ftliche Untersuchu­ng war die Hochschule der Polizei in VillingenS­chwenninge­n zuständig. Ravensburg gehörte zu einer von drei Modellstäd­ten, in denen die Auswirkung­en von öffentlich­en Trinkgelag­en auf die Lebensqual­ität der Nachbarn detaillier­t untersucht wurden. Dabei wurden unter anderem 1088 Altstadtbe­wohner zwischen Juli und September 2013 intensiv befragt.

Das Ergebnis: Ein Drittel der Männer und fast 40 Prozent der Frauen stimmten der Aussage zu, dass öffentlich­er Alkoholkon­sum Probleme schaffe. Fast zwei Drittel der Befragten sprachen sich für generelle oder zeitlich respektive örtlich begrenzte Alkoholkon­sumverbote aus. Für Manne Lucha, den Ravensburg­er Grünen-Abgeordnet­en und neuen Sozialmini­ster, war damals aber klar: Alkoholver­bote für öffentlich­e Plätze sind nicht zielführen­d. Er wie auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) plädierte hingegen für einen „Werkzeugko­ffer“voller Maßnahmen, mit denen Kommunen Gelagen entgegentr­eten können – durch eine Ausweitung der Sperrzeite­n etwa und durch verstärkte Prävention­sarbeit.

Die CDU, die damals enttäuscht vom Runden Tisch aufstand, kann nun jubeln. Dass es die örtlich und zeitlich begrenzten Alkoholkon­sumverbote in den Koalitions­vertrag geschafft haben, kann sie auf ihr Konto verbuchen. Der Grünen-Landesvors­itzende Oliver Hildenbran­d erklärt: „Um es ehrlich zu sagen: Ich halte Alkoholkon­sumverbote für den falschen Weg.“Er verweist darauf, dass sich an den Orten, die bislang als Brennpunkt­e galten, die Lage durch erfolgreic­he Prävention­sarbeit deutlich verbessert habe. „Ich hoffe deshalb, dass sich viele Kommunen für den Weg der Prävention und gegen den Weg der Bevormundu­ng entscheide­n werden.“

Auch im Forschungs­bericht der Polizeihoc­hschule ist von der Bedeutung von Prävention die Rede. Eine Regelung, die es Ortspolize­ibehörden ermöglicht, Sperrzonen auszuweise­n, bezeichnet sie dennoch als „wichtigen Baustein, um alkoholbed­ingte Straftaten an besonders belasteten Örtlichkei­ten wirksamer zu begegnen“. An anderer Stelle kommt der Bericht zur Erkenntnis, dass sich 22 Polizeidie­nststellen im Land für eine solche Möglichkei­t ausspreche­n.

Die Stadt Freiburg hatte eine solche Sperrzone in der Altstadt eingericht­et. Nachdem ein Student dagegen geklagt hatte, kippte der Verwaltung­sgerichtsh­of im Juli 2009 das Alkoholkon­sumverbot allerdings, da es nicht vom Polizeiges­etz gedeckt war. Nach Aussage einer Sprecherin der Stadt habe Freiburg daraufhin mehrfach eine Konkretisi­erung des Polizeiges­etzes gefordert, die den Städten bei Bedarf die Möglichkei­t gegeben hätte, im Einzelfall und räumlich beschränkt, solche Verbote auszusprec­hen. „Wenn es jetzt gelingen könnte, kann die Stadt es nur begrüßen, dass es eine eindeutige Rechtsgrun­dlage geben soll.“Ob die Stadt eine Sperrzone wieder einführen werde, sei erneut zu prüfen und entscheide letztlich der Gemeindera­t.

Konflikte am Seerhein

Ähnlich ging es der Stadt Konstanz. Im Forschungs­bericht der Polizeihoc­hschule heißt es, dass Konstanz, „eine Problemlag­e am Ufer des Bodensees mittels eines Alkoholkon­sumund Glasverbot­s erfolgreic­h bewältigen“konnte. Auch Konstanz war vom Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­of betroffen und musste das Verbot zurücknehm­en. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt nun ein Sprecher: „Die geplante Ermächtigu­ngsgrundla­ge begrüßen wir.“Vor zwei Jahren habe Oberbürger­meister Ulrich Burchardt an die Landesregi­erung geschriebe­n und gebeten, dass sie solch eine Grundlage schaffen möge. Konkret habe die Stadt Probleme am neu geschaffen­en Grünstreif­en entlang des Seerheins. „Hier haben wir immer mal wieder Konflikte gehabt zwischen Bewohnern und Besuchern“, sagt der Sprecher. „Ein Alkoholver­bot kann unter Umständen dazu dienen, solche Konflikte zu befrieden.“

Die Stadt Ravensburg wartet zunächst auf den Gesetzeste­xt. Ein Sprecher der Stadt sagte dazu: „Wir müssen abwarten, wie die Voraussetz­ungen für derartige Regelungen auf öffentlich­en Flächen sein werden.“

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