Kommunen begrüßen Sperrzonen
Grüne und CDU wollen örtlich und zeitlich begrenzte Alkoholverbote ermöglichen
STUTTGART - Wer nach 22 Uhr Alkohol einkaufen will, hat in BadenWürttemberg schlechte Karten – noch. Die grün-schwarze Landesregierung will das unter Grün-Rot verabschiedete nächtliche Alkoholverkaufsverbot kippen. Stattdessen sollen die Kommunen die rechtliche Möglichkeit bekommen, an manchen Orten und zu gewissen Zeiten das Trinken von Alkohol zu verbieten. Manche Kommune, die mit Alkoholkonsumverboten in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht hat, freut sich über diese Änderung.
Anwohner sehen Probleme
In einem langen Prozess hatte sich die grün-rote Landesregierung mit der Frage befasst, wie Saufgelage in Städten und die unschönen Folgen eingedämmt werden können. Dafür wurde Anfang 2013 der Runde Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ins Leben gerufen. Für die wissenschaftliche Untersuchung war die Hochschule der Polizei in VillingenSchwenningen zuständig. Ravensburg gehörte zu einer von drei Modellstädten, in denen die Auswirkungen von öffentlichen Trinkgelagen auf die Lebensqualität der Nachbarn detailliert untersucht wurden. Dabei wurden unter anderem 1088 Altstadtbewohner zwischen Juli und September 2013 intensiv befragt.
Das Ergebnis: Ein Drittel der Männer und fast 40 Prozent der Frauen stimmten der Aussage zu, dass öffentlicher Alkoholkonsum Probleme schaffe. Fast zwei Drittel der Befragten sprachen sich für generelle oder zeitlich respektive örtlich begrenzte Alkoholkonsumverbote aus. Für Manne Lucha, den Ravensburger Grünen-Abgeordneten und neuen Sozialminister, war damals aber klar: Alkoholverbote für öffentliche Plätze sind nicht zielführend. Er wie auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) plädierte hingegen für einen „Werkzeugkoffer“voller Maßnahmen, mit denen Kommunen Gelagen entgegentreten können – durch eine Ausweitung der Sperrzeiten etwa und durch verstärkte Präventionsarbeit.
Die CDU, die damals enttäuscht vom Runden Tisch aufstand, kann nun jubeln. Dass es die örtlich und zeitlich begrenzten Alkoholkonsumverbote in den Koalitionsvertrag geschafft haben, kann sie auf ihr Konto verbuchen. Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand erklärt: „Um es ehrlich zu sagen: Ich halte Alkoholkonsumverbote für den falschen Weg.“Er verweist darauf, dass sich an den Orten, die bislang als Brennpunkte galten, die Lage durch erfolgreiche Präventionsarbeit deutlich verbessert habe. „Ich hoffe deshalb, dass sich viele Kommunen für den Weg der Prävention und gegen den Weg der Bevormundung entscheiden werden.“
Auch im Forschungsbericht der Polizeihochschule ist von der Bedeutung von Prävention die Rede. Eine Regelung, die es Ortspolizeibehörden ermöglicht, Sperrzonen auszuweisen, bezeichnet sie dennoch als „wichtigen Baustein, um alkoholbedingte Straftaten an besonders belasteten Örtlichkeiten wirksamer zu begegnen“. An anderer Stelle kommt der Bericht zur Erkenntnis, dass sich 22 Polizeidienststellen im Land für eine solche Möglichkeit aussprechen.
Die Stadt Freiburg hatte eine solche Sperrzone in der Altstadt eingerichtet. Nachdem ein Student dagegen geklagt hatte, kippte der Verwaltungsgerichtshof im Juli 2009 das Alkoholkonsumverbot allerdings, da es nicht vom Polizeigesetz gedeckt war. Nach Aussage einer Sprecherin der Stadt habe Freiburg daraufhin mehrfach eine Konkretisierung des Polizeigesetzes gefordert, die den Städten bei Bedarf die Möglichkeit gegeben hätte, im Einzelfall und räumlich beschränkt, solche Verbote auszusprechen. „Wenn es jetzt gelingen könnte, kann die Stadt es nur begrüßen, dass es eine eindeutige Rechtsgrundlage geben soll.“Ob die Stadt eine Sperrzone wieder einführen werde, sei erneut zu prüfen und entscheide letztlich der Gemeinderat.
Konflikte am Seerhein
Ähnlich ging es der Stadt Konstanz. Im Forschungsbericht der Polizeihochschule heißt es, dass Konstanz, „eine Problemlage am Ufer des Bodensees mittels eines Alkoholkonsumund Glasverbots erfolgreich bewältigen“konnte. Auch Konstanz war vom Urteil des Verwaltungsgerichtshof betroffen und musste das Verbot zurücknehmen. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“sagt nun ein Sprecher: „Die geplante Ermächtigungsgrundlage begrüßen wir.“Vor zwei Jahren habe Oberbürgermeister Ulrich Burchardt an die Landesregierung geschrieben und gebeten, dass sie solch eine Grundlage schaffen möge. Konkret habe die Stadt Probleme am neu geschaffenen Grünstreifen entlang des Seerheins. „Hier haben wir immer mal wieder Konflikte gehabt zwischen Bewohnern und Besuchern“, sagt der Sprecher. „Ein Alkoholverbot kann unter Umständen dazu dienen, solche Konflikte zu befrieden.“
Die Stadt Ravensburg wartet zunächst auf den Gesetzestext. Ein Sprecher der Stadt sagte dazu: „Wir müssen abwarten, wie die Voraussetzungen für derartige Regelungen auf öffentlichen Flächen sein werden.“