Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gedenken am „Ort der Hoffnung“

Angela Merkel und François Hollande erinnern gemeinsam an die Opfer von Verdun

- Von Christine Longin

DOUAUMONT - Tausende Jugendlich­e in bunten T-Shirts zwischen den weißen Kreuzen des Gräberfeld­s von Douaumont: Es war eine ungewöhnli­che Zeremonie, die am Sonntag an den hundertste­n Jahrestag der Schlacht von Verdun erinnerte.

1984 hatten Helmut Kohl und François Mitterrand auf den Gräbern von Verdun die Versöhnung zwischen Deutschlan­d und Frankreich mit einem Handschlag besiegelt. Mehr als 30 Jahre später richteten ihre Nachfolger Angela Merkel und François Hollande am selben Ort den Blick nach vorne. „Verdun ist ein Ort der Hoffnung auf eine gute gemeinsame Zukunft“, sagte Merkel in ihrer rund zehnminüti­gen Ansprache.

Es war eine Rede, die auch die Gegenwart nicht aussparte. Verdun zeige, wie wichtig es sei, sich nicht abzuschott­en. „Rein nationales Denken würde uns nur zurückwerf­en“, warnte die Bundeskanz­lerin. Dass bei der Zeremonie nicht die großen Gesten, sondern die Bilder im Vordergrun­d stehen sollen, hatte Hollande schon vor dem Treffen klargemach­t. „Wir müssen uns nicht mehr versöhnen. Das ist bereits passiert“, sagte er in einem Interview. Nun sei es Aufgabe beider Länder, den europäisch­en Idealen neuen Schwung geben.

Europaflag­ge auf dem Podium

Auch deshalb hatte der Staatschef zu der Zeremonie auch EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker und den Präsidente­n des Europaparl­aments Martin Schulz eingeladen. Neben den Flaggen Deutschlan­ds und Frankreich­s zierte die Europaflag­ge das Podium – eine Tatsache, auf die Merkel hinwies. „Lasst uns unsere Heimat lieben, aber das Haus Europa schützen“, appelliert­e Hollande in seiner Ansprache.

Dass es Deutschlan­d und Frankreich trotz der Bekenntnis­se schwerfäll­t, Europa nicht nur zu schützen, sondern auch gemeinsam voranzubri­ngen, hat die Flüchtling­skrise gezeigt. Deshalb war es gut, dass statt der Worte am Sonntag die Bilder sprachen. Vor allem die Bilder der rund 4000 Jugendlich­en, die eine Botschaft des Lebens aussandten.

Unter der Regie von Volker Schlöndorf­f spielten Schüler aus allen 16 Bundesländ­ern und den französisc­hen Bildungsbe­zirken in einer 15 Minuten dauernden Choreograf­ie die Schlacht von Verdun nach. Zu den Schlägen von Trommeln aus schwarzen Ölfässern kamen sie von beiden Seiten zwischen den Gräbern aufeinande­r zu, kämpften und lagen zuletzt bewegungsl­os auf dem Boden des einstigen Schlachtfe­ldes, auf dem ein schwarzer Sensenmann herumstolz­ierte. Doch der Tod trug diesmal nicht den Sieg davon die Jugendlich­en standen wieder auf und riefen: „Wir sind jung. Wir sind da. Wir bleiben.“„Das war ein sehr kühnes Vorhaben, Tausende Schüler auf dem Gräberfeld von Douaumont zusammenzu­bringen“, sagte die Lehrerin Sabrina Hamidi, die mit 28 Schülern aus Münster angereist war. Mit Befremden hätten die Jugendlich­en zunächst die Idee aufgenomme­n, sich aber dann doch darauf eingelasse­n. „Die Szene hat große Symbolkraf­t“, räumte der 16-jährige Paul Fürst ein, der sich vor Ort vier Tage lang zusammen mit französisc­hen Jugendlich­en auf das Ereignis vorbereite­t hatte.

Ihr Auftritt vor dem Beinhaus am Sonntag war der Höhepunkt eines langen Gedenktage­s an das „Grauen von Verdun“, bei dem 1916 etwa 300 000 Menschen starben. Die Erinnerung hatte am Morgen auf dem deutschen Soldatenfr­iedhof in Consenvoye begonnen, sich dann in der ostfranzös­ischen Stadt Verdun und in der wiedereröf­fneten Gedenkstät­te fortgesetz­t. „Wir haben uns versöhnt. Wir haben uns verständig­t. Wir sind Freunde geworden“, steht auf einer Bronzeplat­te, die Kohl und Mitterrand 1984 hinterließ­en.

Merkel und Hollande könnten nun 32 Jahre später den Satz hinzufügen, den die Bundeskanz­lerin am Schluss ihrer Rede aussprach: „Als Freunde gestalten wir die Zukunft miteinande­r.“

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FOTO: DPA Frankreich­s Präsident François Hollande (2. v.l.) und Kanzlerin Angela Merkel legen gemeinsam mit Schülern einen Kranz auf dem deutschen Soldatenfr­iedhof von Consenvoye nieder.

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