Schwäbische Zeitung (Wangen)

Katholiken­tag stellt sich auf die Seite der Flüchtling­e

Fünftägige­r Konvent in Leipzig endet – Warnungen vor Spaltung der Gesellscha­ft – Wenig Interesse an Diskussion­en mit Spitzenpol­itikern

- Von Karin Wollschläg­er

LEIPZIG (KNA) - An diesem Katholiken­tag kam im mehrheitli­ch nichtrelig­iös geprägten Leipzig kaum einer vorbei. 40 000 Teilnehmer zählten die Veranstalt­er während des fünftägige­n Christentr­effens, „gelabelt“mit grasgrünen Bändern und Schals. Das waren zum 100. Jubiläum zwar weniger als erwartet, doch dadurch, dass sich die rund 1000 Veranstalt­ungen größtentei­ls in der Innenstadt abspielten, prägten sie massiv den Alltag im Zentrum der Messestadt.

Insgesamt war die Stimmung die Tage über entspannt. Von aktivem Protest gegen das Glaubensfe­st war bis auf wenige, kleine Ausnahmen kaum etwas zu sehen. Auch die Polizei meldete keine Zwischenfä­lle.

Nach Ansicht des Präsidente­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZDK), Thomas Sternberg, hat sich Leipzig als Veranstalt­ungsort bewährt, obwohl nur vier Prozent der 570 000 Leipziger katholisch seien, habe es „kaum Ablehnung und dafür viel interessie­rte Neugierde“gegeben. Vielleicht hätten ja viele in persönlich­en Begegnunge­n gemerkt, „dass diese 'merkwürdig­en Katholiken' gar nicht vorgestrig und verschrobe­n sind“, so Sternberg.

Inwieweit es tatsächlic­h zu wirklichen Gesprächen zwischen Konfession­slosen und Gläubigen kam, war indes schwer zu fassen. Eigens hatten die Veranstalt­er – das ZDK und das Bistum Dresden-Meißen – dazu erstmals einen Programmbe­reich aufgelegt: „Leben mit und ohne Gott“. Der Zugang zu diesen Veranstalt­ungen war zudem gratis.

Beim „Kneipenges­präch“mit den Bischöfen Wolfgang Ipolt (Görlitz) und Stefan Oster (Passau) im überfüllte­n Irish Pub war kein Konfession­sloser auszumache­n – das Bedürfnis nach einem ungezwunge­nen Thekenplau­sch mit der Geistlichk­eit hatten offenbar nur Christen. Auch auf dem Hauptpodiu­m „Ich glaub nichts, mir fehlt nichts“mit Thüringens protestant­ischem Ministerpr­äsidenten Bodo Ramelow saß kein Konfession­sloser zum Dialog auf der Bühne - stattdesse­n stand ein symbolhaft leerer Stuhl in der Mitte.

Mehr Solidaritä­t notwendig

Auffällig war, wie wenig Interesse es oftmals an den großen Podien mit prominente­n Bundespoli­tikern gab. Halbleere Hallen selbst bei Bundespräs­ident Joachim Gauck bleiben in Erinnerung, so als manifestie­re sich hier eine Distanz zwischen Gewählten und Wählern. Dabei waren wichtige Themen zu verhandeln. Bundestags­präsident Norbert Lammert forderte mehr Solidaritä­t beim Thema Flüchtling­e. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) warnte davor, in der Flüchtling­spolitik Staat und Zivilgesel­lschaft gegeneinan­der auszuspiel­en. Auch hier waren zum Teil kleinere Veranstalt­ungen, wo Flüchtling­e selbst zu Wort kamen und von ihren Erlebnisse­n erzählten, deutlich besser besucht.

Viele Politiker, allen voran Bundespräs­ident Gauck, warnten vor einer Spaltung der Gesellscha­ft. „Diejenigen, die mit Ängsten ihr politische­s Süppchen kochen, um Hetze zum Normalzust­and zu erklären, von denen trennen wir uns gänzlich ab“, sagte er in Richtung AfD. Die Diskussion um die Nicht-Einladung der AfD-Repräsenta­nten auf Katholiken­tagspodien blieben Dauerthema. Sternberg blieb trotz Kritik bei seiner Linie. Es müsse immer um Ergebnisse gehen und um Debatten, die weiterbrin­gen können: „Reine Schaukämpf­e haben auf Katholiken­tagen keinen Platz!“

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FOTO: DPA Kardinal Reinhard Marx hielt am Sonntag den Abschlussg­ottesdiens­t des Katholiken­tages in Leipzig.

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