Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir müssen Europa stärken“

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BERLIN - 100 Jahre nach Verdun gebe es Kräfte, die Europa zerstören wollten. Dagegen müssten sich die EU-Staaten gemeinsam wehren. Das forderte Alfred Grosser, französisc­her Publizist und Politikwis­senschaftl­er (Foto: dpa), im Gespräch mit Andreas Herholz.

Wie steht es heute um das deutsch-französisc­he Verhältnis?

Unten läuft es weiterhin gut, oft vorbildlic­h. Wir sind seit Jahrzehnte­n nicht nur Partner, sondern echte Freunde geworden. Es gibt Tausende von Partnersch­aften nicht nur zwischen Städten und Schulen. Das bleibt und verfestigt sich. Oben gibt es nur selten Beweise einer echten Solidaritä­t. In diesem Sinn war die Rede der Kanzlerin im Bundestag nach den Attentaten in Paris vorbildlic­h.

Frankreich­s Präsident Hollande wollte in Verdun keine große Geste wie in der Vergangenh­eit zwischen Mitterand und Kohl ...

Es wäre eine Geste gewesen, wenn der Präsident erklärt hätte, dass Frankreich mehr Flüchtling­e aufnimmt. Das wäre ein Zeichen von Solidaritä­t mit Europa gewesen. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble mahnt seit Jahren, dass Europa nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaft­spolitik braucht. In Paris stimmt man zwar zu, unternimmt aber nichts in diese Richtung. Hier muss endlich mehr geschehen.

Europa präsentier­t sich nicht in bester Verfassung. Wie kommt man wieder aus der Krise heraus?

Jetzt muss es heißen: Europa trotzdem! Wir dürfen den anti-europäisch­en Kräften nicht nachgeben. Hier gibt es Keime, die Europa schwächen und zerstören wollen. Dass etwa in Österreich die Hälfte der Menschen sagen, sie sind gegen Europa, ist furchtbar. Oder man nehme nur Polen: Polen ist 2004 in die EU aufgenomme­n worden, entwickelt sich wie Ungarn zurück in Richtung Diktatur, erhält Milliarden Euro aus Brüssel und schimpft dennoch auf Europa. Wir müssen Europa stärken.

Keine Waffenruhe in der Ukraine, Spannungen auf dem Balkan – halten Sie eine Rückkehr von Krieg in Europa für möglich?

Niemand weiß, was Russlands Präsident Putin eigentlich will und wie weit er gehen wird. In Deutschlan­d ist die Putinophil­ie noch größer als in Frankreich. Das ist skandalös. Die AfD-Jugend arbeitet mit der Putin-Jugend zusammen. Wahrschein­lich finanziert Putin auch Madame Le Pen. Der russische Präsident fördert Europas Rechte und Nationalis­ten. Er will Europa schwächen.

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