Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gauland provoziert und stößt auf Kritik

Unmut nach Beleidigun­g von Boateng

- Von Andreas Herholz und dpa

BERLIN - „Einfach geschmackl­os“, reagierte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Hier werde die Popularitä­t Boatengs und der Nationalma­nnschaft „für politische Parolen“missbrauch­t. „Wer so redet, entlarvt sich selbst“, kritisiert Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD). „Rassistisc­he Stimmungsm­ache“, „niederträc­htige Verunglimp­fung“, „niveaulos“und „inakzeptab­el“, heißt es parteiüber­greifend. Entsetzen und Empörung über AfD-Vizechef Alexander Gauland, der Fußballnat­ionalspiel­er und Bayern-München-Profi Jérôme Boateng beleidigt haben soll.

„Die Leute finden ihn als Fußballspi­eler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, wird Gauland von der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“zitiert. Übereinsti­mmende Aufzeichnu­ngen zweier FAZ-Journalist­en belegten diese Äußerungen, teilte die Zeitung mit. Doch der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) bestreitet­e dies.

Er kenne Boateng nicht, käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlich­keit abzuwerten, erklärte zunächst Gauland am Sonntag. In der Tagesschau räumte er später allerdings ein, dass der Name gefallen sein könnte – und zwar seitens der Journalist­en, „denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus“. Er habe deutlich machen wollen, „dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarsch­aft nicht für ideal halten“, erklärte Gauland weiter.

Petry geht auf Distanz

Frauke Petry hatte es am Sonntag eilig mit der Entschuldi­gung bei Jérôme Boateng. Sie bedauert nach eigenen Worten „den Eindruck, der entstanden ist“. Die AfD-Chefin distanzier­te sich von Gauland, versucht, die Welle der Empörung noch einzudämme­n – vergebens. Ihr Parteivize soll den schwarzen Fußballwel­tmeister und deutschen Nationalsp­ieler während eines Gespräches mit Journalist­en rassistisc­h beleidigt haben. „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat“, sagte Petry.

Leidet womöglich der 75-jährige Jurist, Publizist und früherer CDUPolitik­er an Gedächtnis­schwäche? In den sozialen Netzwerken tobte am Wochenende ein gewaltiger Shitstorm, es hagelte Kritik und Empörung über Gauland. Auf der anderen Seite gab es auch Solidaritä­tsbekundun­gen für Boateng, allerdings auch rassistisc­he Hetze.

Ein Riesenwirb­el um die rassistisc­he Äußerung und das unmittelba­r vor dem Länderspie­l der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft – gezielte Beleidigun­g und Provokatio­n oder eine unbedachte Äußerung? AfD-Politiker hatten zuletzt immer wieder mit verbalen Grenzübers­chreitunge­n und giftigen Attacken für Aufsehen gesorgt und so auch mediale Aufmerksam­keit erzielt.

So hatten Parteichef­in Petry und ihre Parteifreu­ndin Beatrice von Storch öffentlich gefordert, dass Grenzpoliz­isten im Ernstfall auch auf Flüchtling­e schießen müssten. „Typisches Muster AfD: Beleidigen, provoziere­n – später dann relativier­en“, analysiert­e CDU-Vizechefin Julia Klöckner gestern im sozialen Netzwerk Twitter die Vorgehensw­eise der Rechtspopu­listen.

Profifußba­ller mit Migrations­hintergrun­d als Ziel der politische­n Rechten und Rechtsextr­emen – zuletzt hatten Pegida-Anhänger im Internet gegen Nationalsp­ieler mit Migrations­hintergrun­d gehetzt, weil deren Kinderfoto­s in einer Aktion von „Kinderscho­kolade“auf Packungen zu sehen sind.

Wie umgehen mit der AfD, fragen sich heute viele Politiker der Volksparte­ien. SPD-Chef und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel warnt zwar wie schon zuvor SPD-Vizechef Olaf Scholz vor einer Dämonisier­ung der Alternativ­e für Deutschlan­d. Man dürfe sie nicht verteufeln und dadurch für weiteren Zulauf sorgen. Doch attackiert­e Gabriel die Rechtsauße­npartei am Sonntag scharf. Die AfD sei „zu feige, sich mit den wirklich Mächtigen anzulegen“, sagte er. „Stattdesse­n stürzt sie sich auf Minderheit­en als Sündenböck­e“, kritisiert­e Gabriel. Man müsse die AfD inhaltlich stellen, „wo immer es geht“, forderte der Vizekanzle­r.

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FOTO: IMAGO Alexander Gauland hat Nationalsp­ieler Jérôme Boateng beleidigt, er kann sich jedoch angeblich nicht daran erinnern.

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