Gauland provoziert und stößt auf Kritik
Unmut nach Beleidigung von Boateng
BERLIN - „Einfach geschmacklos“, reagierte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Hier werde die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft „für politische Parolen“missbraucht. „Wer so redet, entlarvt sich selbst“, kritisiert Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Rassistische Stimmungsmache“, „niederträchtige Verunglimpfung“, „niveaulos“und „inakzeptabel“, heißt es parteiübergreifend. Entsetzen und Empörung über AfD-Vizechef Alexander Gauland, der Fußballnationalspieler und Bayern-München-Profi Jérôme Boateng beleidigt haben soll.
„Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, wird Gauland von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“zitiert. Übereinstimmende Aufzeichnungen zweier FAZ-Journalisten belegten diese Äußerungen, teilte die Zeitung mit. Doch der stellvertretende Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) bestreitete dies.
Er kenne Boateng nicht, käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten, erklärte zunächst Gauland am Sonntag. In der Tagesschau räumte er später allerdings ein, dass der Name gefallen sein könnte – und zwar seitens der Journalisten, „denn ich kenne mich im Fußball gar nicht aus“. Er habe deutlich machen wollen, „dass es viele Menschen gibt, die halt Fremde in ihrer Nachbarschaft nicht für ideal halten“, erklärte Gauland weiter.
Petry geht auf Distanz
Frauke Petry hatte es am Sonntag eilig mit der Entschuldigung bei Jérôme Boateng. Sie bedauert nach eigenen Worten „den Eindruck, der entstanden ist“. Die AfD-Chefin distanzierte sich von Gauland, versucht, die Welle der Empörung noch einzudämmen – vergebens. Ihr Parteivize soll den schwarzen Fußballweltmeister und deutschen Nationalspieler während eines Gespräches mit Journalisten rassistisch beleidigt haben. „Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat“, sagte Petry.
Leidet womöglich der 75-jährige Jurist, Publizist und früherer CDUPolitiker an Gedächtnisschwäche? In den sozialen Netzwerken tobte am Wochenende ein gewaltiger Shitstorm, es hagelte Kritik und Empörung über Gauland. Auf der anderen Seite gab es auch Solidaritätsbekundungen für Boateng, allerdings auch rassistische Hetze.
Ein Riesenwirbel um die rassistische Äußerung und das unmittelbar vor dem Länderspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft – gezielte Beleidigung und Provokation oder eine unbedachte Äußerung? AfD-Politiker hatten zuletzt immer wieder mit verbalen Grenzüberschreitungen und giftigen Attacken für Aufsehen gesorgt und so auch mediale Aufmerksamkeit erzielt.
So hatten Parteichefin Petry und ihre Parteifreundin Beatrice von Storch öffentlich gefordert, dass Grenzpolizisten im Ernstfall auch auf Flüchtlinge schießen müssten. „Typisches Muster AfD: Beleidigen, provozieren – später dann relativieren“, analysierte CDU-Vizechefin Julia Klöckner gestern im sozialen Netzwerk Twitter die Vorgehensweise der Rechtspopulisten.
Profifußballer mit Migrationshintergrund als Ziel der politischen Rechten und Rechtsextremen – zuletzt hatten Pegida-Anhänger im Internet gegen Nationalspieler mit Migrationshintergrund gehetzt, weil deren Kinderfotos in einer Aktion von „Kinderschokolade“auf Packungen zu sehen sind.
Wie umgehen mit der AfD, fragen sich heute viele Politiker der Volksparteien. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel warnt zwar wie schon zuvor SPD-Vizechef Olaf Scholz vor einer Dämonisierung der Alternative für Deutschland. Man dürfe sie nicht verteufeln und dadurch für weiteren Zulauf sorgen. Doch attackierte Gabriel die Rechtsaußenpartei am Sonntag scharf. Die AfD sei „zu feige, sich mit den wirklich Mächtigen anzulegen“, sagte er. „Stattdessen stürzt sie sich auf Minderheiten als Sündenböcke“, kritisierte Gabriel. Man müsse die AfD inhaltlich stellen, „wo immer es geht“, forderte der Vizekanzler.