Todesfalle Mittelmeer: Italien ruft um Hilfe
Zuletzt 700 Flüchtlinge gestorben – Rom will Abkommen mit afrikanischen Ländern
ROM (dpa) - Als 2013 vor der italienischen Insel Lampedusa östlich von Tunesien 366 Migranten starben, versprachen die EU-Spitzen, eine solche Tragödie nie wieder zuzulassen. Italien startete Such- und Rettungsaktionen im zentralen Mittelmeer, andere Länder und Hilfsorganisationen folgten. Sie haben bereits Hunderttausende Leben gerettet. Doch es ist eine Sisyphusaufgabe.
Seit vergangenem Montag erreichen wieder mehr Migranten Italien auf dem Seeweg. Mit Hilfe der Küstenwache konnten rund 13 000 Menschen gerettet werden. Binnen weniger Tage sind aber auch wohl mehr als 700 Menschen bei dem Versuch umgekommen, mit Schlepperbooten nach Italien zu gelangen. Die Zahlen gründeten auf Aussagen von Überlebenden, sagte Carlotta Sami vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Sonntag. Es seien drei Schiffsuntergänge vom Mittwoch, Donnerstag und Freitag berücksichtigt.
Strategie für Afrika
Italien will jetzt die Ursachen mit Entwicklungs- und Sicherheitshilfe für die Staaten angehen, aus denen die Migranten kommen. Die Menschen sollen ihr Land erst gar nicht verlassen. „Sie nur auf dem Meer zu retten, ohne eine Strategie für Afrika zu haben, ist keine Lösung“, sagte Ministerpräsident Matteo Renzi der Tageszeitung „Avvenire“. „Wir müssen ihnen zu Hause helfen, angefangen mit Investitionen in internationale Entwicklungshilfe.“
Drei Tage zuvor hatte Renzi auf dem G7-Gipfel in Japan gesagt, auch NATO-Einheiten könnten Migranten im Mittelmeer retten. Aber: „Das Meer ist der schlechteste Ort für ihre Rettung.“Renzi will, dass die EU mit afrikanischen Ländern ein ähnliches Flüchtlingsabkommen schließt wie mit der Türkei. Als Gegenleistung für strenge Grenzkontrollen könnten afrikanische Länder Finanzhilfen sowie Einreisequoten für Arbeitnehmer und Studenten erhalten.
„Entweder Europa reagiert, oder wir werden es alleine machen müssen. Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Renzi dem Blatt. „Meiner Meinung nach sind die besten Köpfe in der Debatte zur Zukunft Europas zwei Weltbürger, die nicht aus Europa kommen, nämlich der US-Präsident (Barack Obama) und der Bischof von Rom (Papst Franziskus).“
Die Vereinbarung mit der Türkei wird als ein Grund dafür angeführt, dass die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge gesunken ist. Dabei ist unklar, ob sich Präsident Recep Tayyip Erdogan an die Abmachung halten wird. Zwar haben die meisten EU-Länder positiv auf die Vorschläge reagiert, Abkommen mit afrikanischen Staaten zu schließen. Aber die Mühlen in Brüssel mahlen zu langsam für Renzis Geschmack.
„All die Opfer, die wir aus dem Meer fischen, zeigen, wie weit und wie spät dran Europa in seinen Beziehungen mit afrikanischen Ländern ist“, sagte der italienische Außenminister Angelino Alfano am Samstag. Zwar bestehe keine Notlage, da die Zahl der Migranten im Vergleich zum Vorjahr stabil sei, aber man brauche „eine ernst gemeinte Einigung“mit Libyen, um die „Ausreisen einzudämmen“.
Auch wenn Italien Druck macht, wird es noch eine Weile dauern, bis etwas passiert. Das Flüchtlingsabkommen soll auf einem EU-Gipfel Ende Juni diskutiert werden.