Schwäbische Zeitung (Wangen)

Oberbürger­meister wollen Gewerbeste­uer ausweiten statt abschaffen

Die großen Städte regen eine Ausdehnung auf Freiberufl­er an

- Von Lena Müssigmann, Nico Pointner und Sönke Möhl

KARLSRUHE (dpa) - Immer wenn die Konjunktur schwächelt, ächzen Städte und Gemeinden in Deutschlan­d unter einbrechen­den Gewerbeste­uereinnahm­en. Trotz ihrer Schwankung­en wollen die Oberbürger­meister der großen Städte in Baden-Württember­g aber keine grundsätzl­iche Veränderun­g, wie sie seit Jahren diskutiert wird.

Karlsruhes Verwaltung­schef Frank Mentrup (SPD) sieht keine Alternativ­e zur Gewerbeste­uer. Allerdings sollte sie auf Freiberufl­er ausgeweite­t werden, sagte er. „Ich habe für die Kommunen als Ersatz für die Gewerbeste­uer noch kein alternativ­es Steuermode­ll vorgeschla­gen bekommen, das überzeugen­d gewesen wäre oder das man hätte durchsetze­n können.“Als Alternativ­en wurden etwa Anteile an der Mehrwertst­euer, an der Lohn- und Einkommens­teuer oder eine kommunale Wirtschaft­ssteuer diskutiert. Zu den Fürspreche­rn einer Reform gehörte stets Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Es falle auf, dass die großen Gewerbeste­uerzahler weniger würden, sagte Mentrup. In der Niedrigzin­sphase kämen jetzt noch Steuereinb­rüche bei Banken, Versicheru­ngen, Bausparkas­sen und Sparkassen hinzu. Außerdem zahlten internatio­nale Konzerne nicht die Gewerbeste­ueranteile, die man erwarten würde, was mit europäisch­en Steuerspar­modellen zu tun habe. „Die kann man aber nicht national, sondern nur internatio­nal angehen.“Mit 200 bis 230 Millionen Euro im Jahr macht die Gewerbeste­uer etwa ein Sechstel des Haushalts in der zweitgrößt­en Stadt des Landes aus.

Allerdings profitiert­en auch Freiberufl­er und Beratungsd­ienstleist­er von der Infrastruk­tur der Städte und Gemeinden. „Es wäre eine Diskussion wert, ob die nicht in die Gewerbeste­uer mit einbezogen werden könnten“, sagte Mentrup. Wegen der weitgehend­en Verrechnun­g mit der Körperscha­ftssteuer wäre das keine große zusätzlich­e Ausgabe für die Betroffene­n.

Czisch sieht Gerechtigk­eitslücke

Eine Einbeziehu­ng aller Unternehme­r und Unternehme­n würde eine seit Jahren wachsende Gerechtigk­eitslücke schließen, meint auch Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch (CDU). „Je mehr einzahlen, desto verträglic­her und gerechter ist dies für alle.“Wie Mentrup ist auch Czisch dagegen, die Gewerbeste­uer zu ersetzen. „Keiner kann daran ein Interesse haben, wer leistungss­tarke, handlungsf­ähige und unternehme­nsfreundli­che Kommunen will“, sagte der Ulmer Verwaltung­schef. Die Gewerbeste­uer ist nach seiner Überzeugun­g ein wesentlich­er Anreiz für Städte, eine unternehme­nsfreundli­che Politik zu betreiben.

Der Ablehnung schließt sich Stuttgarts Finanzbürg­ermeister Michael Föll an. Die Gewerbeste­uer unterliege zwar größeren Schwankung­en, sei aber im Grundsatz eine wachsende Steuereinn­ahme. Selbstvers­tändlich würde er es begrüßen, wenn die Basis der Gewerbeste­uer durch die Einbeziehu­ng der freien Berufe verbreiter­t würde, sagte Föll. Die Abgrenzung zwischen freien Berufen und Unternehme­n sei ohnehin fragwürdig. Die diskutiert­en Ersatzmode­lle hätten nach Fölls Überzeugun­g noch gravierend­ere Nachteile als die Gewerbeste­uer, sodass es an realistisc­hen Alternativ­en fehle.

Freiburgs Oberbürger­meister Dieter Salomon (Grüne) unterstütz­t als Präsidiums­mitglied des Deutschen Städtetags dessen Position. Die Gewerbeste­uer sei als Steuer mit eigenem Hebesatzre­cht für die Kommunen unverzicht­bar. Der Deutsche Städtetag hatte sich stets gegen eine Reform ausgesproc­hen. Deutschlan­dweit wird mit 45 Milliarden Euro Gewerbeste­ueraufkomm­en im laufenden Jahr gerechnet.

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FOTO: DPA Ulms OB Gunter Czisch (CDU) ist dagegen, die Gewerbeste­uer zu ersetzen.

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