Oberbürgermeister wollen Gewerbesteuer ausweiten statt abschaffen
Die großen Städte regen eine Ausdehnung auf Freiberufler an
KARLSRUHE (dpa) - Immer wenn die Konjunktur schwächelt, ächzen Städte und Gemeinden in Deutschland unter einbrechenden Gewerbesteuereinnahmen. Trotz ihrer Schwankungen wollen die Oberbürgermeister der großen Städte in Baden-Württemberg aber keine grundsätzliche Veränderung, wie sie seit Jahren diskutiert wird.
Karlsruhes Verwaltungschef Frank Mentrup (SPD) sieht keine Alternative zur Gewerbesteuer. Allerdings sollte sie auf Freiberufler ausgeweitet werden, sagte er. „Ich habe für die Kommunen als Ersatz für die Gewerbesteuer noch kein alternatives Steuermodell vorgeschlagen bekommen, das überzeugend gewesen wäre oder das man hätte durchsetzen können.“Als Alternativen wurden etwa Anteile an der Mehrwertsteuer, an der Lohn- und Einkommensteuer oder eine kommunale Wirtschaftssteuer diskutiert. Zu den Fürsprechern einer Reform gehörte stets Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Es falle auf, dass die großen Gewerbesteuerzahler weniger würden, sagte Mentrup. In der Niedrigzinsphase kämen jetzt noch Steuereinbrüche bei Banken, Versicherungen, Bausparkassen und Sparkassen hinzu. Außerdem zahlten internationale Konzerne nicht die Gewerbesteueranteile, die man erwarten würde, was mit europäischen Steuersparmodellen zu tun habe. „Die kann man aber nicht national, sondern nur international angehen.“Mit 200 bis 230 Millionen Euro im Jahr macht die Gewerbesteuer etwa ein Sechstel des Haushalts in der zweitgrößten Stadt des Landes aus.
Allerdings profitierten auch Freiberufler und Beratungsdienstleister von der Infrastruktur der Städte und Gemeinden. „Es wäre eine Diskussion wert, ob die nicht in die Gewerbesteuer mit einbezogen werden könnten“, sagte Mentrup. Wegen der weitgehenden Verrechnung mit der Körperschaftssteuer wäre das keine große zusätzliche Ausgabe für die Betroffenen.
Czisch sieht Gerechtigkeitslücke
Eine Einbeziehung aller Unternehmer und Unternehmen würde eine seit Jahren wachsende Gerechtigkeitslücke schließen, meint auch Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU). „Je mehr einzahlen, desto verträglicher und gerechter ist dies für alle.“Wie Mentrup ist auch Czisch dagegen, die Gewerbesteuer zu ersetzen. „Keiner kann daran ein Interesse haben, wer leistungsstarke, handlungsfähige und unternehmensfreundliche Kommunen will“, sagte der Ulmer Verwaltungschef. Die Gewerbesteuer ist nach seiner Überzeugung ein wesentlicher Anreiz für Städte, eine unternehmensfreundliche Politik zu betreiben.
Der Ablehnung schließt sich Stuttgarts Finanzbürgermeister Michael Föll an. Die Gewerbesteuer unterliege zwar größeren Schwankungen, sei aber im Grundsatz eine wachsende Steuereinnahme. Selbstverständlich würde er es begrüßen, wenn die Basis der Gewerbesteuer durch die Einbeziehung der freien Berufe verbreitert würde, sagte Föll. Die Abgrenzung zwischen freien Berufen und Unternehmen sei ohnehin fragwürdig. Die diskutierten Ersatzmodelle hätten nach Fölls Überzeugung noch gravierendere Nachteile als die Gewerbesteuer, sodass es an realistischen Alternativen fehle.
Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) unterstützt als Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetags dessen Position. Die Gewerbesteuer sei als Steuer mit eigenem Hebesatzrecht für die Kommunen unverzichtbar. Der Deutsche Städtetag hatte sich stets gegen eine Reform ausgesprochen. Deutschlandweit wird mit 45 Milliarden Euro Gewerbesteueraufkommen im laufenden Jahr gerechnet.