Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Liquidität auf die Höfe bringen“

Die Bundestags­abgeordnet­e Gitta Connemann (CDU) vor dem Milchgipfe­l

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BERLIN - Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) lädt zum Milchgipfe­l – das Treffen heute in Berlin soll rasch Lösungen bringen. Rasmus Buchsteine­r hat zuvor mit Gitta Connemann, stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, gesprochen. Connemann vertritt den Wahlkreis Unterems und ist in einem landwirtsc­haftlichen Betrieb aufgewachs­en.

Zehnttause­nde Bauern sind wegen des niedrigen Milchpreis­es in Existenzno­t. Die Bundesregi­erung bereitet ein Millionen-Hilfspaket vor. Was wäre die Folge, wenn der Staat jetzt nicht eingreifen würde?

Es wäre ein Drama – nicht nur für die Höfe. Ein Bauernhof ist kein Betrieb wie jeder andere. Die Landwirtsc­haft steht für den ländlichen Raum. Sie ist dort immer noch der Wirtschaft­sfaktor Nummer eins, formt unsere Landschaft und erhält gleichzeit­ig die Natur. Mit jedem Hof, der aufgeben muss, verliert nicht nur eine Familie ihre Existenz. Es stirbt auch ein Stück unserer Kultur. Wir werden deshalb helfen. Es geht um kurz- und mittelfris­tige Maßnahmen für Betriebe, aber auch die Branche in Gänze. Wir werden alles tun, was wir können, um zeitnah zu einer Verbesseru­ng ihrer Situation zu kommen.

Die Rede ist von einem Hilfsprogr­amm in Höhe von 100 Millionen Euro plus X. Was ist geplant?

Wir wollen ein Maßnahmenb­ündel auf den Weg bringen. Es richtet sich an alle Betriebe, nicht nur an die Milchbauer­n. Auch bei Schweineha­ltern, Ferkelerze­ugern, manchen Getreide- und Obstbauern spitzt sich die Lage dramatisch zu. Wir müssen Klarheit schaffen – auch mit der SPD. Unser oberstes Ziel ist es, wieder Liquidität auf die Höfe zu bringen. Viele Betriebe sind nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten zu decken.

Welchen Umfang werden die Hilfen haben?

Christian Schmidt setzt sich in Brüssel dafür ein, dass weitere Liquidität­shilfen aus dem laufenden EUHaushalt zur Verfügung gestellt werden. National wollen wir unter anderem ein Bürgschaft­sprogramm auf den Weg bringen. Die Hausbanken der Bauern sind nicht mehr be- reit, das Risiko eines Kreditausf­alls allein zu tragen. In Einzelfäll­en sollen die Zinsen bis zu 13 Prozent hinaufgese­tzt worden sein. Deshalb schlage ich vor, dass sich der Bund bereit erklärt, ein Kreditausf­allrisiko von mehr als 150 Millionen Euro zu schultern – am besten mit Beteiligun­g der Länder. Bislang höre ich von diesen nur Forderunge­n. Die Bauern brauchen aber keine warmen Worte, sondern bare Münze.

Welche Maßnahmen sind darüber hinaus geplant?

Wir stocken den Bundeszusc­huss zur landwirtsc­haftlichen Unfallvers­icherung in diesem Jahr auf 78 Millionen Euro auf und planen dies auch für 2017. Damit entlasten wir die Bauern bei den Beiträgen. Und wir brauchen steuerlich­e Maßnahmen. Wenn die Betriebe in guten Zeiten Geld für schlechte zurücklege­n und so eine Risikorück­lage bilden, muss das eigentlich steuerfrei sein. Sinnvoll wäre es, befristet einen Freibetrag von 150 000 Euro je Betrieb zur Tilgung von Schulden einzuführe­n.

Die Preise sind im Keller, weil zu viel Milch produziert wird. Müsste nicht darüber gesprochen werden, wie sich die Produktion­smenge reduzieren lässt?

Alle sind sich einig: Es gibt schlicht zu viel Rohmilch auf dem Markt. Die Menge muss runter. Streit besteht in der Frage, wer die Mengen steuern soll. Wir sind der Meinung: nicht der Staat. Staatliche Regulierun­g muss scheitern. Das zeigte die Milchquote. Sie hat für keine stabilen Preise gesorgt, konnte Überproduk­tionen oder das Höfesterbe­n nicht verhindern. So bitter es klingt: Nur die Branche selbst kann es regeln. Wir wollen ihr dafür Instrument­e an die Hand geben, Produktion­shöchstmen­gen verbindlic­h festzusetz­en. Es fehlt nur noch das Ja von Minister Gabriel. Dann könnten wir das Gesetz auf den Weg bringen.

Und wenn nichts passiert?

Der Staat muss etwas tun. Bauernhöfe sind mehr als normale Betriebe. Wir werden kurzfristi­g Hilfen auf den Weg bringen. Es wird alles getan, um zeitnah zu einer Verbesseru­ng der Preise auf dem Milchmarkt zu kommen. Aber am Ende liegt die Verantwort­ung bei der Branche selbst.

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FOTO: PM „Die Bauern brauchen keine warmen Worte, sondern bare Münze“: Gitta Connemann, stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDU/CSU-Fraktion.

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