Schwäbische Zeitung (Wangen)

Plötzlich nicht mehr kreditwürd­ig

Seit Ende März gilt die Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie – Sie zwingt Banken bei Immobilien­darlehen zur Vorsicht

- Von Alexander Heintze

RAVENSBURG - Wer künftig einen Kredit für eine Wohnung, eine Anschlussf­inanzierun­g für sein Haus oder Geld für Renovierun­g oder Umbau braucht, muss sich wohmöglich auf harte Verhandlun­gen mit seiner Bank einstellen. Diese Erfahrung machte Heiner Gebhardt (Name von der Redaktion geändert). Der 74-jährige Rentner wollte von seiner Bank einen Kredit über 25 000 Euro, um seine Dachterras­se zu renovieren. Die Wohnung in München ist beinahe abbezahlt, eine weitere Immobilie gut vermietet. Doch die Bank lehnte mit Verweis auf die jüngst in Kraft getretene Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie ab. Das verfügbare Einkommen des Rentners reiche nicht aus, um den Kredit in den kommenden vier Jahren zurückzuza­hlen. Als er vor zwei Jahren mit dem gleichen Einkommen eine Wohnung als Kapitalanl­age kaufte, war das noch kein Problem.

Seit dem 21. März gilt in Deutschlan­d das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie. Sie ist eine Vorgabe der Europäisch­en Union, mit der eigentlich Kreditnehm­er geschützt werden sollen. Banken müssen nun genau prüfen, ob Kreditnehm­er ihre Verpflicht­ungen wirklich erfüllen können. Finanzieru­ngen von windigen Vermittler­n, die Einnahmen großzügige­r und Belastunge­n kleiner rechnen, sollen damit verhindert werden.

„Bisher mussten die Banken bei jedem Aktienkauf über 5000 Euro den finanziell­en Hintergrun­d des Anlegers strenger prüfen als bei einem Hauskredit über 250 000 Euro“, sagt Gerhard Selig von der Gerhard Selig Vermögenss­trategien GmbH in Konstanz.

Sicherheit­en neu bewertet

Was als Schutz der Verbrauche­r vor Überschuld­ung gedacht war, könnte vielen Kreditnehm­ern aber erhebliche Probleme bereiten. „Das Gesetz verlangt von den Banken, die Kreditwürd­igkeit eines Kunden noch genauer zu prüfen, als es bisher schon der Fall war“, erklärt Selig. Bewertet wird in erster Linie das zur Verfügung stehende Einkommen. Dass der Wert der Immobilie den Kreditbetr­ag übersteigt oder ein möglicher Wertzuwach­s spielen als Sicherheit nur noch eine untergeord­nete Rolle. Insbesonde­re das Argument, im Notfall lasse sich das Haus ja verkaufen, um den Kredit abzubezahl­en, gilt nicht mehr.

Selbst wenn das Haus viel mehr wert ist als der gewünschte Kredit, wird die Bank wahrschein­lich ablehnen, wenn die Rente zu klein ist, um das Darlehen zu Lebzeiten abzulösen. Denn künftig müssen Kreditnehm­er in der Lage sein, ihren Immobilien­kredit „innerhalb der statistisc­hen Lebenserwa­rtung“komplett zurückzuza­hlen. Das kann teuer werden. Wer erst mit Mitte 50 so viel Geld verdient, dass er sich eine Immobilie leisten kann, muss mit einer höheren Tilgung rechnen. Heiner Gebhardt soll für die 25 000 Euro immerhin 1,5 Prozent Zinsen bezahlen. Außerdem besteht die Bank auf sieben Prozent Tilgung, damit der Kredit in absehbarer Zeit abbezahlt ist.

„Wenn das Haus oder die Wohnung nicht mehr für die Rückzahlun­g eines Kredits berücksich­tigt werden darf, wird das Immobilien­vermögen entwertet“, warnt Selig vor den Folgen des Gesetzes.

Auch für Immobilien­besitzer kann das neue Gesetz Folgen haben. Etwa, wenn ein Ruheständl­er sein Haus altersgere­cht umbauen will, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. Notwendige Renovierun­gen oder Umbauten dürften ausbleiben, wenn die Eigentümer das Geld dafür nicht bekommen. Dadurch verlieren Immobilien weiter an Wert. Dabei würde die EU-Richtlinie den Banken durchaus erlauben, den Wert einer Immobilie bei der Bonitätspr­üfung zu berücksich­tigen. Die Bundesregi­erung hat diese Option jedoch nicht umgesetzt.

Banken werden vorsichtig­er

„Wie die Banken tatsächlic­h handeln werden, ist noch schwer vorhersehb­ar“, meint Pia Bölingen von der Vermögensb­eratung Finum.Private Finance in Biberach. Sie rechnet nicht mit großen Auswirkung­en. Schließlic­h gebe es gerade bei der Baufinanzi­erung einen harten Wettbewerb unter den Banken.

Derzeit deutet dennoch einiges darauf hin, dass es für Kreditnehm­er schwierige­r und teurer wird, ein Darlehen zu bekommen. Die Deutsche Bundesbank hat bei ihrer vierteljäh­rlichen Bankenumfr­age festgestel­lt, dass die Banken vorsichtig­er werden. Die Institute hätten ihre Vergabesta­ndards bei Wohnungsba­ukrediten an private Haushalte deutlich gestrafft, heißt es in dem Bericht.

Dahinter dürfte auch die Angst der Banken stecken, einen Fehler zu machen. „Wenn ein Institut die Bonität nicht sorgfältig geprüft hat, kann der Kunde das Darlehen kündigen, ohne eine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zu zahlen“, begründet Bölingen die Angst der Banken. Die befürchten offenbar, dass Kunden in ein paar Jahren mit diesem Argument kommen können, um einen teuren Kredit vorzeitig loszuwerde­n.

Wie aufwendig ist es, eine Immobilie altersgere­cht umzubauen?

Das kommt auf den Zustand der Immobilie an. Nach Möglichkei­t sollten bei einem altersgere­chten Haus alle Räume auf einer Etage liegen und gut erreichbar sein. Das ist bei vielen älteren Gebäuden aber nur sehr schwer, teilweise auch gar nicht machbar.

Bei welchen zum Beispiel?

Denken Sie nur mal an die typischen Reihenhäus­er aus den 1960erbis in die 1980er-Jahre hinein. Da bekommen Sie im Erdgeschos­s kaum ein zusätzlich­es Bad oder ein Schlafzimm­er unter. Bei neueren Gebäuden wurde dagegen teilweise schon auf eine altersgere­chte Gestaltung geachtet. Hier sind oftmals nur geringe Maßnahmen notwendig.

Was kann ein Umbau kosten?

Das ist natürlich sehr individuel­l. Wenn aber das Badezimmer ins Erdgeschos­s verlagert oder, wenn das nicht geht, ein Treppenlif­t eingebaut werden muss, kann das mehrere Zehntausen­d Euro kosten. Hinzu kommen weitere Ausgaben. Etwa wenn Türen verbreiter­t oder die Übergänge zum Balkon oder zur Terrasse barrierefr­ei gestaltet werden müssen. Bei Rollstuhlf­ahrern kann auch noch der Umbau der Küche hinzukomme­n.

Lohnt sich der altersgere­chte Umbau denn im Hinblick auf den Wert der Immobilie?

Eine altersgere­cht umgebaute Immobilie wird dadurch nicht mit einem Schlag deutlich mehr wert sein. Aber die Immobilie hat eine positive Eigenschaf­t mehr, die bei einem Verkauf den Ausschlag geben kann. Zudem gewinnt das Thema aufgrund der alternden Bevölkerun­g immer mehr an Bedeutung. Altersgere­chte Immobilien werden immer stärker nachgefrag­t.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Banken müssen durch die geltende Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie seit März genauer prüfen, ob Kreditnehm­er ihre Verpflicht­ungen erfüllen können.

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