Plötzlich nicht mehr kreditwürdig
Seit Ende März gilt die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – Sie zwingt Banken bei Immobiliendarlehen zur Vorsicht
RAVENSBURG - Wer künftig einen Kredit für eine Wohnung, eine Anschlussfinanzierung für sein Haus oder Geld für Renovierung oder Umbau braucht, muss sich wohmöglich auf harte Verhandlungen mit seiner Bank einstellen. Diese Erfahrung machte Heiner Gebhardt (Name von der Redaktion geändert). Der 74-jährige Rentner wollte von seiner Bank einen Kredit über 25 000 Euro, um seine Dachterrasse zu renovieren. Die Wohnung in München ist beinahe abbezahlt, eine weitere Immobilie gut vermietet. Doch die Bank lehnte mit Verweis auf die jüngst in Kraft getretene Wohnimmobilienkreditrichtlinie ab. Das verfügbare Einkommen des Rentners reiche nicht aus, um den Kredit in den kommenden vier Jahren zurückzuzahlen. Als er vor zwei Jahren mit dem gleichen Einkommen eine Wohnung als Kapitalanlage kaufte, war das noch kein Problem.
Seit dem 21. März gilt in Deutschland das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Sie ist eine Vorgabe der Europäischen Union, mit der eigentlich Kreditnehmer geschützt werden sollen. Banken müssen nun genau prüfen, ob Kreditnehmer ihre Verpflichtungen wirklich erfüllen können. Finanzierungen von windigen Vermittlern, die Einnahmen großzügiger und Belastungen kleiner rechnen, sollen damit verhindert werden.
„Bisher mussten die Banken bei jedem Aktienkauf über 5000 Euro den finanziellen Hintergrund des Anlegers strenger prüfen als bei einem Hauskredit über 250 000 Euro“, sagt Gerhard Selig von der Gerhard Selig Vermögensstrategien GmbH in Konstanz.
Sicherheiten neu bewertet
Was als Schutz der Verbraucher vor Überschuldung gedacht war, könnte vielen Kreditnehmern aber erhebliche Probleme bereiten. „Das Gesetz verlangt von den Banken, die Kreditwürdigkeit eines Kunden noch genauer zu prüfen, als es bisher schon der Fall war“, erklärt Selig. Bewertet wird in erster Linie das zur Verfügung stehende Einkommen. Dass der Wert der Immobilie den Kreditbetrag übersteigt oder ein möglicher Wertzuwachs spielen als Sicherheit nur noch eine untergeordnete Rolle. Insbesondere das Argument, im Notfall lasse sich das Haus ja verkaufen, um den Kredit abzubezahlen, gilt nicht mehr.
Selbst wenn das Haus viel mehr wert ist als der gewünschte Kredit, wird die Bank wahrscheinlich ablehnen, wenn die Rente zu klein ist, um das Darlehen zu Lebzeiten abzulösen. Denn künftig müssen Kreditnehmer in der Lage sein, ihren Immobilienkredit „innerhalb der statistischen Lebenserwartung“komplett zurückzuzahlen. Das kann teuer werden. Wer erst mit Mitte 50 so viel Geld verdient, dass er sich eine Immobilie leisten kann, muss mit einer höheren Tilgung rechnen. Heiner Gebhardt soll für die 25 000 Euro immerhin 1,5 Prozent Zinsen bezahlen. Außerdem besteht die Bank auf sieben Prozent Tilgung, damit der Kredit in absehbarer Zeit abbezahlt ist.
„Wenn das Haus oder die Wohnung nicht mehr für die Rückzahlung eines Kredits berücksichtigt werden darf, wird das Immobilienvermögen entwertet“, warnt Selig vor den Folgen des Gesetzes.
Auch für Immobilienbesitzer kann das neue Gesetz Folgen haben. Etwa, wenn ein Ruheständler sein Haus altersgerecht umbauen will, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. Notwendige Renovierungen oder Umbauten dürften ausbleiben, wenn die Eigentümer das Geld dafür nicht bekommen. Dadurch verlieren Immobilien weiter an Wert. Dabei würde die EU-Richtlinie den Banken durchaus erlauben, den Wert einer Immobilie bei der Bonitätsprüfung zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat diese Option jedoch nicht umgesetzt.
Banken werden vorsichtiger
„Wie die Banken tatsächlich handeln werden, ist noch schwer vorhersehbar“, meint Pia Bölingen von der Vermögensberatung Finum.Private Finance in Biberach. Sie rechnet nicht mit großen Auswirkungen. Schließlich gebe es gerade bei der Baufinanzierung einen harten Wettbewerb unter den Banken.
Derzeit deutet dennoch einiges darauf hin, dass es für Kreditnehmer schwieriger und teurer wird, ein Darlehen zu bekommen. Die Deutsche Bundesbank hat bei ihrer vierteljährlichen Bankenumfrage festgestellt, dass die Banken vorsichtiger werden. Die Institute hätten ihre Vergabestandards bei Wohnungsbaukrediten an private Haushalte deutlich gestrafft, heißt es in dem Bericht.
Dahinter dürfte auch die Angst der Banken stecken, einen Fehler zu machen. „Wenn ein Institut die Bonität nicht sorgfältig geprüft hat, kann der Kunde das Darlehen kündigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen“, begründet Bölingen die Angst der Banken. Die befürchten offenbar, dass Kunden in ein paar Jahren mit diesem Argument kommen können, um einen teuren Kredit vorzeitig loszuwerden.
Wie aufwendig ist es, eine Immobilie altersgerecht umzubauen?
Das kommt auf den Zustand der Immobilie an. Nach Möglichkeit sollten bei einem altersgerechten Haus alle Räume auf einer Etage liegen und gut erreichbar sein. Das ist bei vielen älteren Gebäuden aber nur sehr schwer, teilweise auch gar nicht machbar.
Bei welchen zum Beispiel?
Denken Sie nur mal an die typischen Reihenhäuser aus den 1960erbis in die 1980er-Jahre hinein. Da bekommen Sie im Erdgeschoss kaum ein zusätzliches Bad oder ein Schlafzimmer unter. Bei neueren Gebäuden wurde dagegen teilweise schon auf eine altersgerechte Gestaltung geachtet. Hier sind oftmals nur geringe Maßnahmen notwendig.
Was kann ein Umbau kosten?
Das ist natürlich sehr individuell. Wenn aber das Badezimmer ins Erdgeschoss verlagert oder, wenn das nicht geht, ein Treppenlift eingebaut werden muss, kann das mehrere Zehntausend Euro kosten. Hinzu kommen weitere Ausgaben. Etwa wenn Türen verbreitert oder die Übergänge zum Balkon oder zur Terrasse barrierefrei gestaltet werden müssen. Bei Rollstuhlfahrern kann auch noch der Umbau der Küche hinzukommen.
Lohnt sich der altersgerechte Umbau denn im Hinblick auf den Wert der Immobilie?
Eine altersgerecht umgebaute Immobilie wird dadurch nicht mit einem Schlag deutlich mehr wert sein. Aber die Immobilie hat eine positive Eigenschaft mehr, die bei einem Verkauf den Ausschlag geben kann. Zudem gewinnt das Thema aufgrund der alternden Bevölkerung immer mehr an Bedeutung. Altersgerechte Immobilien werden immer stärker nachgefragt.