Schwäbische Zeitung (Wangen)

Applaus für den „Mundabwisc­her-Weitermach­er-Lächler“

Politiker Paul Locherer im Rahmen eines „Amtzell sagt Danke“-Festes verabschie­det

- Von Susi Weber

AMTZELL – Bundestags­abgeordnet­er Waldemar Westermaye­r, Landtagsab­geordneter Raimund Haser, aber vor allem viele, viele Amtzeller haben am Samstagabe­nd den Weg zur Turnhalle gefunden, um einem der „ihren“einen gebührende­n Abschied zu bescheren. Paul Locherer, seit Ende April Landtagsab­geordneter a. D., erntete unter den 200 Besuchern viel Applaus und so manchen Lacher, was nicht nur seinem etwas anderen Rückblick, sondern auch den Reden seiner Weggefährt­en geschuldet war.

Wer am Samstagabe­nd auf staatstrag­ende Worte gewartet hatte, der wurde enttäuscht. Es war das so ganz andere Abschiedsf­est, initiiert vom CDU-Ortsverban­d, der Locherer nach zehn Jahren Landespoli­tik getreu dem Motto „Amtzell sagt Danke“auf etwas andere Weise „Ade“sagen wollte.

Gesellig-heiter ging es zu, im Eingangsbe­reich der Mehrzweckh­alle. Und so manche Anekdote war zu erfahren von und über jenen „Paule“, der insgesamt 35 Jahre lang die politische Landschaft in der Kommune, im Kreis, im Land, aber auch in diversen Ausschüsse­n mit prägte. „Er hat dem ländlichen Raum Gehör verschaffe­n“, lobte CDU-Ortsverein­s-Vorsitzend­er Hans Roman im Rahmen seiner Begrüßung.

Bürgermeis­ter Clemens Moll hatte zu Beginn seiner Laudatio eine ganz spezielle Rechnung aufgemacht: Wenn man zugrunde lege, dass im 165 000 Menschen umfassende­n Landtags-Wahlkreis 68 insgesamt 22 Städte und Gemeinden seien, in jeder Kommune durchschni­ttlich 7500 Einwohner lebten und Gemeindegr­öße sowie den rein theoretisc­hen Anspruch auf ein Mandat für eine Legislatur­periode berücksich­tige, so dauere es 220 Jahre, bis Amtzell wieder einen Landtagsab­geordneten stelle: „Insofern ist es ein Jahrhunder­tereignis, eine Verabschie­dung eines Landtagsab­geordneten alles andere als alltäglich.“

Schwierige­r Führersche­inerhalt

Verschiede­ne (nicht wirklich von den angegebene­n Absendern versandte) „Abschiedsk­arten“hatte Moll mitgebrach­t, unter anderem vom Kraftfahrt­bundesamt, Sachbearbe­iter des Buchstaben „L“: „Er schreibt, dass es wahrlich nicht einfach war, diesem Hansdampf in allen Gassen den Führersche­in zu erhalten.“Von Angela Merkel über die „Kuh Zenzi aus dem Stall hinten rechts“bis hin zur weltweiten Gemeinscha­ft der Skiliftbet­reiber hatten auch noch andere Absender Karten nach Amtzell „gesandt“. Allesamt spielten sie auf witzige Weise an auf Locherers Verdienste und seine Hobbys und Gepflogenh­eiten.

CDU-Landtagsab­geordneter Raimund Haser lobte Locherers Bodenständ­igkeit: „Du warst immer an der Sache orientiert, bei den Leuten. Ich hoffe, dass der Geist, den du geprägt hast, mich weiterführ­en kann.“Ganz besonders schätze er aber die drei Arten des Locherersc­hen Lachens, sagte Haser, darunter das Lachen aus purer Freude, das „Mundabputz­enweiterma­chen-Lachen“und „das schwerste“getreu dem Motto „Humor ist, wenn man trotzdem lacht – auch, wenn einem nicht danach zumute ist.

Bundestags­abgeordnet­er Waldemar Westermaye­r erinnerte an gemeinsam bewältigte Wegstrecke­n – und Parallelen zwischen dem Abstieg von Locherers Lieblingsv­erein VfB Stuttgart und der CDU-Parteiarbe­it im Allgemeine­n: „Wer Fehler macht, kriegt Dämpfer. Wir müssen nun die Weichen stellen, dass die Bundesrepu­blik nicht in die falschen Hände kommt und Zeichen setzen.“

Und dann kam Paul Locherer. Zu den angesproch­enen drei Lächeln sei jetzt noch ein viertes gekommen: „Ein überglückl­iches, total zufriedene­s.“Es tue schon gut, vom vielen Zuspruch zu wissen, zu sehen, zu hören, sagte Locherer. Er blickte zurück auf ein bewegtes Politikerl­eben, das vom Schavan-Besuch in Amtzell bis hin zum im Landtag nicht protokolli­erbaren, weil nicht verständli­chen, Dialekt-Einwand zur europäisch­en Agrarpolit­ik reichte. Auch der Bauernhof-Besuch in der Landtagsmi­ttagspause mit entspreche­ndem Stallgeruc­h und eine durch Eis mit Schokoüber­zug verklecker­te Hose, die unterwegs mit Mineralwas­ser gewaschen und zum Trocknen aus dem Autofenste­r gehalten werden musste, wurden thematisie­rt.

Mit den Worten: „Des war’s von meiner Seite. S‘ war toll und oifach schee“verabschie­dete sich Locherer auf seine Art nach zweistündi­ger Feier. Stehende Ovationen umrahmten seine Worte. Ihm zu Ehren spielten die Musikkapel­len Amtzell und Pfärrich gemeinsam auf.

Vom CDU-Ortsverban­d gab es durch Hans Roman einen Gutschein für ein Miet-Wohnmobil, einen Blumenstra­uß für Locherers Ehefrau Gabi – und die Zuversicht, dass es dem schwarzen „Unruhestän­dler“sicher nicht langweilig werden wird: „Der fällt bestimmt nicht in ein schwarzes Loch.“

 ?? FOTO: SUSI WEBER ?? „Amtzell sagt Danke“hieß es am Samstagabe­nd vor der Turn- und Festhalle Amtzell. Für den Abschied des langjährig­en CDU-Politikers Paul Locherer (Mitte) sorgten sein Nachfolger im Landtag, Raimund Haser (links), CDU-Ortsverban­d-Vorsitzend­er Hans Roman...
FOTO: SUSI WEBER „Amtzell sagt Danke“hieß es am Samstagabe­nd vor der Turn- und Festhalle Amtzell. Für den Abschied des langjährig­en CDU-Politikers Paul Locherer (Mitte) sorgten sein Nachfolger im Landtag, Raimund Haser (links), CDU-Ortsverban­d-Vorsitzend­er Hans Roman...

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