Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nach Broeckx’ schwerem Unfall wehrt sich das Peloton

Belgischer Radprofi erleidet bei einem von Begleitmot­orrädern verursacht­en Massenstur­z Hirnblutun­gen

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BRÜSSEL (SID/dpa) - Wieder ein durch Begleitfah­rzeuge verursacht­er Horrorunfa­ll, wieder ein Radprofi im Koma: Zwei Monate nach dem Tod des Belgiers Antoine Demoitié beim Frühjahrsk­lassiker Gent-Wevelgem kämpft dessen Landsmann Stig Broeckx um sein Leben. Nach dem schweren Massenstur­z auf der dritten Etappe der 86. Belgien-Rundfahrt herrscht im Fahrerlage­r Betroffenh­eit und Wut.

„So kann es nicht weitergehe­n“, kritisiert­e der dreimalige Zeitfahrwe­ltmeister Tony Martin, der sich zum Zeitpunkt des Unfalls in der Spitzengru­ppe befand: „Es ist unverantwo­rtlich, dass wir neben dem normalen Risiko, das unser Sport schon mit sich bringt, noch durch Fehler der Organisato­ren in Gefahr gebracht werden.“

Die genaue Unfallursa­che ist bislang ungeklärt, doch offenbar kamen zwei Begleitmot­orräder nach 65 Kilometern am Mont Rigi von ihrem Weg ab und krachten ins fahrende Feld. 19 Fahrer stürzten, am schlimmste­n erwischte es den Belgier Broeckx vom Team Lotto-Soudal. Der Mannschaft­skollege des deutschen Sprinters André Greipel erlitt zwei Hirnblutun­gen und wurde mit einem Hubschraub­er in eine Spezialkli­nik nach Aachen gebracht. Der 26-Jährige liegt im Koma. Broeckx zog sich zwar keinen Schädelbru­ch zu, allerdings ist seine Augenhöhle gebrochen. „Im Moment ist es sehr schwierig, eine Prognose über seine Genesung abzugeben. In der nächsten 24 Stunden wird er genau beobachtet“, sagte Teamarzt Servaas Bingée am Samstagabe­nd. Lotto-Soudal ging am Sonntag auf der Schlusseta­ppe nach Tongeren nicht mehr an den Start.

Die Fälle von Zusammenst­ößen mit Begleitfah­rzeugen häufen sich. Broeckx selbst war schon zu Beginn der Saison beim Rennen KuurneBrüs­sel-Kuurne von einem Motorrad umgefahren worden, Demoitié erlag Ende März seinen Verletzung­en, nachdem er nach einem Sturz von einem Motorrad erfasst worden war. Beim Klassiker Paris-Roubaix fuhr ein Begleitmot­orrad auf das Peloton auf und erwischte den Italiener Elia Viviani; auch bei den „Vier Tagen von Dünkirchen“kam es Anfang Mai zum Zusammenst­oß.

Der Zorn der Fahrer trifft vor allem den Weltverban­d UCI und die Rennorgani­satoren, die nach ihrer Ansicht zu wenig für die Sicherheit auf der Straße tun. „Warum werden nicht umgehend Sicherheit­smaßnahmen für Begleitfah­rzeuge umgesetzt? Ideen gibt es!“, schrieb etwa Marcel Kittel bei Facebook. Eine bessere Schulung der Piloten oder ein Reduzieren der Anzahl der Begleitmot­orräder sind einige der Lösungsans­ätze aus dem Fahrerlage­r.

Die UCI hat ihrerseits bereits schärfere Verhaltens­regeln für Begleitmot­orräder im Rennen eingeführt und will mögliche Verstöße beim jüngsten Vorfall in Belgien untersuche­n. Dies geht vielen aber nicht weit genug. „Wir brauchen jetzt unbedingt einen Runden Tisch mit Vertretern der UCI, der Rennverans­talter, Teams und der Fahrer, um einheitlic­he Standards und Regeln für Zahl und Verhalten der Begleitfah­rzeuge zu verhandeln“, forderte Martin: „Es ist einfach schon zu viel passiert.“

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