Hilfe für Milchbauern
Minister Schmidt (CSU) kündigt 100 Millionen Euro an
BERLIN (dpa) - Die deutschen Milchbauern sollen als Entlastung wegen drastisch gesunkener Preise Nothilfen von mindestens 100 Millionen Euro bekommen. Zur genauen Höhe will Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) noch Gespräche führen, wie er am Montag nach einem „Milchgipfel“mit Vertretern von Bauern, Molkereien und Handel in Berlin sagte.
Der Bauernverband mahnte eine rasche Umsetzung an. Schmidt betonte, die Marktbeteiligten selbst müssten zu einer stärkeren Mengensteuerung kommen.
Schmidt kündigte kurzfristige Finanzhilfen von „100 Millionen Euro plus X“an. Über die Höhe des X will er unter anderem mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der EU-Kommission reden. Schmidt sagte, er erwarte auch von den Ländern eine finanzielle Beteiligung an der Existenzsicherung der deutschen Bauern.
BERLIN - Mit der Kuh verschwindet auch dörfliche Kultur, warnt Ulrich Jasper (Foto: privat), Agrarexperte der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Im Gespräch mit Hanna Gersmann sagt er, dass Felder verpachtet, große Ställe verkauft würden – trotzdem bleibe zu viel Milch auf dem Markt.
Herr Jasper, im hiesigen Supermarkt gibt es den Liter Milch derzeit für weniger als 50 Cent. Was heißt das für das Leben auf dem Land?
Die Bauern machen mit jedem Liter Milch Verlust, haben ihre Reserven aufgebraucht, schieben Rechnungen auf die lange Bank, machen Schulden. In normalen Jahren entscheidet jeder 50. Bauer, seine Tiere abzuschaffen. 2015 war es jeder 25. Geht das so weiter, wird 2016 jeder zehnte Milchbauer dichtmachen. Die Kühe werden exportiert und zum Beispiel in die Türkei transportiert. Oder sie werden zum Schlachthof gefahren wie dieses Jahr schon 425 000 Kühe. Das sind 15 Prozent mehr als in den ersten fünf Monaten 2015.
Was wird aus den Bauern und Höfen, wenn die Kühe weg sind?
Die Bauern warten. Sie werden ihr Gras oder ihren Mais dieses Jahr noch ernten und dann versuchen, ihre Felder zu verpachten. Derzeit geht das kaum, weil die möglichen Pächter auch alle Verlust machen. Das war mal anders, als überall Biogasanlagen entstanden sind und Flächen für Mais gebraucht wurden, um die Tiere zu füttern. Doch dann hat die Bundesregierung die Förderung dieser Energieerzeugung wieder zurückgefahren. Der Acker ist derzeit nicht mehr so gefragt. Große Ställe sind es aber schon.
Wer will die Ställe?
Wenn sie groß und modern genug sind, übernimmt die samt Kühen ein anderer Betrieb. Das ist ein Konzentrationsprozess – die kleinen weichen, die großen wachsen – der regional wirkt. In den ohnehin schon viehdichten Regionen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, dem Rheinland und Bayern nimmt die Zahl der Tiere zu, während die Kuh aus anderen Regionen verschwindet – und mit ihr die dörfliche Kultur. Das Paradoxe: Am Ende wird nicht weniger gemolken. Es bleibt zu viel Milch auf dem Markt – und der Preis kann gar nicht steigen.
Wie steigt der Preis?
Ohne Koordination geht es nicht. Die Bauern brauchen Anreize, weniger Milch zu produzieren.