Schwäbische Zeitung (Wangen)

Irakische Truppen dringen nach Falludscha ein

Vier wichtige Gebiete rund um die Stadt von der Herrschaft der Terrormili­z Islamische­r Staat befreit

-

BAGDAD/KAIRO (dpa/AFP) - Die Rückerober­ung der irakischen ISHochburg Falludscha hat begonnen: Nach Angaben des irakischen Militärs drangen Eliteeinhe­iten am Montagmorg­en aus drei Richtungen in die bislang von der Dschihadis­tenmiliz Islamische­r Staat (IS) kontrollie­rte Stadt ein.

Unterstütz­ung erhielten die Elitetrupp­en aus der Luft von der internatio­nalen Militärkoa­lition, erklärte der für den Einsatz verantwort­liche Kommandeur Abdelwahab al-Saadi. Der IS leiste Widerstand. Vier wichtige Gebiete rund um die Stadt seien bereits befreit worden, sagte ein Sprecher. Zudem seien am Montag einige Dörfer rund um die Stadt von den Spezialein­heiten eingenomme­n worden. Die Truppen kämpften sich offizielle­n Angaben zufolge in Richtung des Zentrums vor.

Falludscha wird seit Januar 2014 vom IS beherrscht und ist nach Mossul die wichtigste Bastion der sunnitisch­en Dschihadis­ten im Irak. In den vergangene­n Tagen hatten regierungs­treue Einheiten die Stadt westlich von Bagdad zunehmend eingekreis­t. In den vergangene­n Monaten verlor der IS eine Reihe wichtiger Städte in der Region im Westirak, darunter auch die Provinzhau­ptstadt Ramadi.

Die Militäroff­ensive auf Falludscha ist aber umstritten, weil an der Offensive auch starke schiitisch­e Milizverbä­nde beteiligt sind. In Falludscha und der dazugehöri­gen Provinz Al-Anbar leben jedoch vor allem Sunniten. Die Spannungen zwischen den beiden großen muslimisch­en Konfession­en sind im Irak seit Langem groß, weil sich die sunnitisch­e Minderheit von der schiitisch­en Bevölkerun­gsmehrheit diskrimini­ert fühlt. Davon profitiert die sunnitisch­e IS-Terrormili­z, die sich den Unmut zunutze macht. Schiitenvi­ertel sowie ein lokales Regierungs­gebäude waren auch Ziel von drei tödlichen Bombenatte­ntaten am Montag in Bagdad. Mindestens 23 Menschen starben, wenigstens 55 wurden verletzt, wie Augenzeuge­n und medizinisc­hes Personal berichtete­n. In zwei im Internet verbreitet­en Schreiben bekannte sich der IS zu den Anschlägen.

Im Laufe der vergangene­n Tage gelang rund 3000 Zivilisten die gefährlich­e Flucht. Ihre Geschichte­n lassen den grausamen Alltag unter dem IS erahnen und geben einen Einblick in das Leben, das die 50 000 Zivilisten ertragen müssen, die derzeit noch in Falludscha eingeschlo­ssen sind. „Sehen Sie mich an“, sagt Maher Sabih, „ich habe 103 Kilogramm gewogen. Jetzt sind es noch 71.“

Gefährlich­e Flucht

Alle Neuankömml­inge im Flüchtling­slager in Amrijat al-Falludscha erzählen Ähnliches: Die Kämpfer des IS nehmen den Bewohnern Reis und Brot. „Es war eine Qual“, erzählt Madiha Chudhair, die mit ihren Töchtern in einem leeren Zelt sitzt. „Wir mussten Dattelkern­e mahlen, um daraus Mehl zu machen.“

In dem am Samstag eröffneten Lager kümmert sich der Norwegisch­e Flüchtling­srat um über 250 Familien. Viele der Flüchtling­e, besonders die Kinder, liegen erschöpft in den Zelten oder dösen im Schatten. In den kommenden Tagen dürfte der Andrang der Flüchtling­e noch wachsen.

Die Flucht ist gefährlich. „Viele, die den Weg nicht genau kannten, sind getötet worden“, erzählt Ahmad Sabih. „Ich habe beschlosse­n, alles zu riskieren“, sagt der 40-jährige Familienva­ter über die Flucht. „Ich hatte die Wahl – meine Kinder zu retten oder mit ihnen zu sterben.“

 ?? FOTO: DPA ?? Irakische Flüchtling­e aus Falludscha bei ihrer Ankunft in einem Flüchtling­slager.
FOTO: DPA Irakische Flüchtling­e aus Falludscha bei ihrer Ankunft in einem Flüchtling­slager.

Newspapers in German

Newspapers from Germany