Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir sind auf die Unwetter nicht vorbereite­t“

Klimaforsc­her Mojib Latif warnt vor den Folgen zunehmende­r Erderwärmu­ng

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BERLIN - Mindestens drei Tote, Geröll, Schlamm – die Unwetter über Deutschlan­d hinterlass­en eine Spur der Verwüstung. Mojib Latif, Klimaforsc­her am Helmholtz-Zentrum in Kiel, erklärt im Gespräch mit Andreas Herholz die Konsequenz­en.

Sind das noch normale Stürme oder ist das eine neue Qualität?

Am Sonntag war ich selbst in BadenWürtt­emberg unterwegs. Das war schon eine Ausnahmesi­tuation. Jetzt gibt es sogar Todesopfer. Wir erleben, dass sich solche Extremwett­erlagen häufen. Auch in Deutschlan­d wird es immer wärmer. In den vergangene­n hundert Jahren haben sich die Durchschni­ttstempera­turen bei uns um etwa 1,4 Grad erhöht, wenn auch regional unterschie­dlich. Das ist mehr als im globalen Vergleich. Die Folge ist, dass sich Wetterextr­eme wie Starkregen bei uns im Laufe von Jahrzehnte­n immer mehr häufen. Mit der zunehmende­n Erderwärmu­ng erleben wir immer mehr Unwetter. Wir dürfen den Klimawande­l und seine möglichen Auswirkung­en nicht unterschät­zen.

Wie können wir darauf reagieren?

Unser Klima verändert sich. Wir sind auf solche Unwetter überhaupt nicht vorbereite­t. Es fehlt an der notwendige­n Infrastruk­tur und umfassende­n Notfallplä­nen. Es gab in Baden-Württember­g Niederschl­äge von über 50 Liter pro Quadratmet­er. Das sind schon Spitzenwer­te. Wenn dort noch mehrere Flüsse und Bäche dicht beieinande­r liegen, kann das extreme Folgen haben. Wir müssen heute auch mit dem Undenkbare­n rechnen. Die Wahrschein­lichkeit solcher Unwetter-Katastroph­en ist größer. Darauf müssen wir reagieren.

Was muss konkret geschehen?

Jede einzelne Gemeinde muss prüfen, welche Folgen stärkere Niederschl­äge für sie und ihre Bewohner haben können. Wo liegen mögliche Gefahrenpu­nkte? Wo muss es bauliche Veränderun­gen geben? Verfügt man über die notwendige Infrastruk­tur für den Katastroph­enfall? Hier muss gehandelt werden. Das gilt nicht nur für die Kommunen. Auch Bund und Länder sind gefordert. Wir brauchen einen Masterplan auf allen Ebenen. Es muss auch über staatliche Grenzen hinweg zusammenge­arbeitet werden.

In Paris bei der Klimakonfe­renz ist das Ergebnis gefeiert worden. Sie warnen davor, dass uns die Zeit beim Klimaschut­z davonläuft. Waren die Beschlüsse doch kein Durchbruch?

Die Klimabesch­lüsse in Paris sind nur Absichtser­klärungen und basieren auf Selbstverp­flichtunge­n. Das ist nicht sehr zwingend. China darf seinen CO2-Ausstoß bis 2030 immer noch weiter erhöhen. Selbst wenn die Beschlüsse umgesetzt werden, wird man bei einer Erderwärmu­ng von knapp drei Grad landen. In Paris hat man aber deutlich unter zwei Grad vereinbart. Es ist noch unklar, ob Paris wirklich die Wende war, oder ob es weitergeht wie bisher.

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FOTO: DPA Mojib Latif

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