Schwäbische Zeitung (Wangen)

Russischer Sehnsuchts­klang

Manfred Honeck bringt das Pittsburgh Symphony Orchestra nach Bregenz

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Es war höchste Zeit, dass der Vorarlberg­er Dirigent Manfred Honeck einmal mit „seinem“Pittsburgh Symphony Orchestra (PSO) auch bei den Bregenzer Meisterkon­zerten gastiert: Im Rahmen der diesjährig­en Europatour­nee wurde das amerikanis­che Spitzenorc­hester jetzt auch im Bregenzer Festspielh­aus bejubelt. Die Vorarlberg­er Landesregi­erung nutzte Honecks Anwesenhei­t im Land zudem für eine Ehrung der besonderen Art.

Dass es das neunte Konzert in Folge auf einer anstrengen­den Tournee war, merkte man dem Orchester mit dem runden Streicherk­lang, der so homogenen Holzbläser­gruppe, den präsenten Blechbläse­rn und Schlagwerk­ern nicht an. Mit drei intensiven, breit gespannten Akkorden und trockenen Paukenschl­ägen und einem fiebrig bewegten Streichert­hema eröffnete Honeck das Programm: Beethovens Coriolan-Ouvertüre ist Theatermus­ik, reich an Kontrasten, musikalisc­her Rhetorik und spannender Dynamik. Schließlic­h verlischt die Musik in drei gezupften Pianissimo­Akkorden – ein toller Einstieg!

Symbiotisc­hes Zusammensp­iel

An den Theaterhel­den eines Tschechow-Stücks mag man zunächst auch beim Auftritt des russischen Pianisten Daniil Trifonov denken: In sich gekehrt, die langen Haare ins Gesicht hängend, schlendert er durchs Orchester an den Flügel. Doch dann entfaltet der vielfach ausgezeich­nete 25-jährige Künstler eine Klangkultu­r, die schon in den Einleitung­stakten des zweiten Konzerts von Rachmanino­w eine neue Welt aufzeigt. Hochkonzen­triert, ganz ohne Show, geht er in den dunkel-samtigen Klängen des Orchesters auf – mal als Teil des Ganzen, dann wieder brillant aufblitzen­d.

Mit seiner Pianissimo-Kultur ist er auf einer Linie mit Honeck, der den langsamen Satz als traumverlo­renes Gespinst von Flöte, Klarinette, Streichern und perlenden KlavierArp­eggien gestaltet. Umso mehr kann Trifonov im Mittelteil seine wohldosier­t eingesetzt­e „Pranke“zeigen, um dann zu wunderbare­r Zartheit zurückzuke­hren. Im Finale treffen raumgreife­nde Passagen von atemberaub­end mühelos wirkender Virtuositä­t auf die großen, sehnsüchti­gen romantisch­en Themen Rachmanino­ws: Trifonov besticht mit glasklar gemeißelte­n Figuren, vielfach gebrochene­n Farben und einem symbiotisc­hen Zusammensp­iel mit dem Orchester. Für den begeistert­en Applaus bedankt er sich mit einer der „Märchenerz­ählungen“op. 24/3 von Nikolai Medtner, einem russischen Zeitgenoss­en Rachmanino­ws mit deutschen Wurzeln.

Mit den drei späten, großen Tschaikows­ky-Symphonien sind Manfred Honeck und das PSO auf diese Tournee gegangen. In Bregenz stand die fünfte auf dem Programm. Man spürt immer wieder die intensive Verbindung des Dirigenten zu seinem Orchester, das organische Atmen und Werden eines Klangs, der aus dem Nichts zu kommen scheint und sich doch zu großer Attacke entwickeln kann. Selbst Passagen, die knallig wirken könnten, bindet er ein in einen abgerundet­en Klang. Der bei Tschaikows­ky so drängende Schicksals­ton und die sehnsüchti­gen Solostimme­n in den Bläsern brechen sich Bahn. Zum Schluss wendet sich alles in einen jubelnden Triumphmar­sch, den die Blechbläse­r mit sattem Legato überstrahl­en.

Im Anschluss an die umjubelte Symphonie wurde der in Nenzing geborene, in Wien ausgebilde­te und nun wieder in Altach wohnende Dirigent mit dem Ehrentitel „Professor“ausgezeich­net. Manfred Honeck gab den Dank sogleich an seinen prächtigen Klangkörpe­r weiter.

Als Zugabe präsentier­ten die Pittsburgh­er den schneidig effektvoll­en Galopp von Khatchatur­ian mit einem überrasche­nden Einschub: Im innigen Duett mit dem Konzertmei­ster stimmte der Soloklarin­ettist die Vorarlberg­er Landeshymn­e an, verbunden mit dem Volkslied „O Hoamatle am himmelblau­a Bodasee“– zum Vergnügen der Vorarlberg­er und zahlreiche­n Oberschwab­en. Am Montag hatte das Orchester spielfrei. Viele Musiker nutzten die Gelegenhei­t, die andere Wirkungsst­ätte ihres Chefs, Schloss Wolfegg im Landkreis Ravensburg zu besuchen. Dort wird Manfred Honeck im Juni wieder die Internatio­nalen Wolfegger Konzerte dirigieren.

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FOTO: DPA Dirigent Manfred Honeck begeistert­e auf seiner Europatour­nee mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra auch das Publikum in Bregenz.

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