Russischer Sehnsuchtsklang
Manfred Honeck bringt das Pittsburgh Symphony Orchestra nach Bregenz
BREGENZ - Es war höchste Zeit, dass der Vorarlberger Dirigent Manfred Honeck einmal mit „seinem“Pittsburgh Symphony Orchestra (PSO) auch bei den Bregenzer Meisterkonzerten gastiert: Im Rahmen der diesjährigen Europatournee wurde das amerikanische Spitzenorchester jetzt auch im Bregenzer Festspielhaus bejubelt. Die Vorarlberger Landesregierung nutzte Honecks Anwesenheit im Land zudem für eine Ehrung der besonderen Art.
Dass es das neunte Konzert in Folge auf einer anstrengenden Tournee war, merkte man dem Orchester mit dem runden Streicherklang, der so homogenen Holzbläsergruppe, den präsenten Blechbläsern und Schlagwerkern nicht an. Mit drei intensiven, breit gespannten Akkorden und trockenen Paukenschlägen und einem fiebrig bewegten Streicherthema eröffnete Honeck das Programm: Beethovens Coriolan-Ouvertüre ist Theatermusik, reich an Kontrasten, musikalischer Rhetorik und spannender Dynamik. Schließlich verlischt die Musik in drei gezupften PianissimoAkkorden – ein toller Einstieg!
Symbiotisches Zusammenspiel
An den Theaterhelden eines Tschechow-Stücks mag man zunächst auch beim Auftritt des russischen Pianisten Daniil Trifonov denken: In sich gekehrt, die langen Haare ins Gesicht hängend, schlendert er durchs Orchester an den Flügel. Doch dann entfaltet der vielfach ausgezeichnete 25-jährige Künstler eine Klangkultur, die schon in den Einleitungstakten des zweiten Konzerts von Rachmaninow eine neue Welt aufzeigt. Hochkonzentriert, ganz ohne Show, geht er in den dunkel-samtigen Klängen des Orchesters auf – mal als Teil des Ganzen, dann wieder brillant aufblitzend.
Mit seiner Pianissimo-Kultur ist er auf einer Linie mit Honeck, der den langsamen Satz als traumverlorenes Gespinst von Flöte, Klarinette, Streichern und perlenden KlavierArpeggien gestaltet. Umso mehr kann Trifonov im Mittelteil seine wohldosiert eingesetzte „Pranke“zeigen, um dann zu wunderbarer Zartheit zurückzukehren. Im Finale treffen raumgreifende Passagen von atemberaubend mühelos wirkender Virtuosität auf die großen, sehnsüchtigen romantischen Themen Rachmaninows: Trifonov besticht mit glasklar gemeißelten Figuren, vielfach gebrochenen Farben und einem symbiotischen Zusammenspiel mit dem Orchester. Für den begeisterten Applaus bedankt er sich mit einer der „Märchenerzählungen“op. 24/3 von Nikolai Medtner, einem russischen Zeitgenossen Rachmaninows mit deutschen Wurzeln.
Mit den drei späten, großen Tschaikowsky-Symphonien sind Manfred Honeck und das PSO auf diese Tournee gegangen. In Bregenz stand die fünfte auf dem Programm. Man spürt immer wieder die intensive Verbindung des Dirigenten zu seinem Orchester, das organische Atmen und Werden eines Klangs, der aus dem Nichts zu kommen scheint und sich doch zu großer Attacke entwickeln kann. Selbst Passagen, die knallig wirken könnten, bindet er ein in einen abgerundeten Klang. Der bei Tschaikowsky so drängende Schicksalston und die sehnsüchtigen Solostimmen in den Bläsern brechen sich Bahn. Zum Schluss wendet sich alles in einen jubelnden Triumphmarsch, den die Blechbläser mit sattem Legato überstrahlen.
Im Anschluss an die umjubelte Symphonie wurde der in Nenzing geborene, in Wien ausgebildete und nun wieder in Altach wohnende Dirigent mit dem Ehrentitel „Professor“ausgezeichnet. Manfred Honeck gab den Dank sogleich an seinen prächtigen Klangkörper weiter.
Als Zugabe präsentierten die Pittsburgher den schneidig effektvollen Galopp von Khatchaturian mit einem überraschenden Einschub: Im innigen Duett mit dem Konzertmeister stimmte der Soloklarinettist die Vorarlberger Landeshymne an, verbunden mit dem Volkslied „O Hoamatle am himmelblaua Bodasee“– zum Vergnügen der Vorarlberger und zahlreichen Oberschwaben. Am Montag hatte das Orchester spielfrei. Viele Musiker nutzten die Gelegenheit, die andere Wirkungsstätte ihres Chefs, Schloss Wolfegg im Landkreis Ravensburg zu besuchen. Dort wird Manfred Honeck im Juni wieder die Internationalen Wolfegger Konzerte dirigieren.