Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kranken Albanern droht Abschiebun­g

Vater und Sohn leiden an seltener Erbkrankhe­it – Helferkrei­se sind entrüstet

- Von Daniel Häfele

FRIEDRICHS­HAFEN - Sie wollten nicht mehr als eine Zukunft für ihren unheilbar kranken Sohn: 2014 flohen die Eltern Dritam und Jetmira Lleshi mit ihren drei Kindern Beram (8), Blerta (6) und Lhemali (3) nach Deutschlan­d. Der achtjährig­e Beram leidet wie sein Vater am Alport-Syndrom. Jetzt droht der albanische­n Familie, die in der Flüchtling­sunterkunf­t im Fallenbrun­nen in Friedrichs­hafen lebt, die Abschiebun­g.

Vor zwei Jahren sind Dritam und Jetmira mit ihren Kindern aus Albanien nach Deutschlan­d gekommen. Lange bevor die Bundesregi­erung den Balkan-Staat als „sicheres Herkunftsl­and“einstufte. Vater Dritam leidet seit seiner Kindheit am Alport-Syndrom. Hören kann er nur mittels eines Hörgeräts, seine Nieren arbeiten nicht mehr richtig. Dreimal in der Woche muss er zur Dialyse.

In Albanien, so erzählen sie, lebten sie auf dem Land. Sie hatten ein kleines Lebensmitt­elgeschäft. Die Gesundheit­sversorgun­g dort sei aber schlecht gewesen. Mithilfe von Verwandten kratzten sie ihr letztes Geld zusammen, um für eine bessere Versorgung von Dritam in die Hauptstadt Tirana zu gehen. Sein Bruder und seine Cousine seien in jungen Jahren an der Krankheit gestorben, erzählt der 32-Jährige.

Allerdings konnten sie sich das Leben dort auf Dauer nicht leisten und als sich abzeichnet­e, dass auch Sohn Beram an der seltenen Erbkrankhe­it leidet, hätten sie sich auf den Weg nach Deutschlan­d gemacht. Er wollte ein besseres Leben für seinen Sohn, erzählt Dritam Lleshi.

Zunächst ist dem Familienva­ter das gelungen. Beram besucht die Tannenhag-Schule in Fischbach, eine Sonderschu­le für Kinder, Jugendlich­e und junge Erwachsene mit starken Entwicklun­gsverzöger­ungen und geistiger Behinderun­g. „Hier wird Beram gefördert. In Albanien hat er keine Zukunft“, sagt Hannelore Miller vom Helferkrei­s Langenarge­n, die die fünfköpfig­e Familie mit Brigitte Böttger vom Helferkrei­s Schlossfre­unde seit einem Jahr betreut. Gemeinsam mit Böttger organisier­te sie Arztbesuch­e für Vater und Sohn.

Auch für die restliche Familie hat sich das Leben verbessert: Blerta besucht die Ludwig-Dürr-Schule in Friedrichs­hafen, sie spricht schon etwas Deutsch. Untergebra­cht ist die Familie in einem Container in der Flüchtling­sunterkunf­t Fallenbrun­nen. Zu fünft schlafen sie in einem etwa 25 Quadratmet­er großen Raum und haben auch sonst keinen Luxus, aber sie seien sehr zufrieden, wie die Eltern erzählen. Doch im April änderte sich alles.

Ein Mitarbeite­r des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e hatte den Asylantrag der albanische­n Familie abgelehnt. Offensicht­lich unbegründe­t ist der Asylantrag in den Augen der Behörden. „Bei der Entscheidu­ng wird eine Erkrankung berücksich­tigt, wenn es sich um eine schwerwieg­ende Erkrankung handelt, die eine Gefahr fürs Leben darstellt und die im Herkunftsl­and nicht behandelt werden kann“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage der Lindauer Zeitung mit. Eine Erbkrankhe­it, die zwangsläuf­ig zu Nierenvers­agen führt, zählt für die Beamten offensicht­lich nicht zu einer lebensbedr­ohlichen Krankheit.

Das Auswärtige Amt dagegen warnt vor der Gesundheit­sversorgun­g in Albanien. „Die ärztliche Versorgung ist unzureiche­nd und entspricht bei Weitem nicht deutschem Standard“, teilt die Behörde auf Nachfrage mit. Operatione­n sollten nur im äußersten Notfall durchgefüh­rt werden. Das Auswärtige Amt empfiehlt Reisenden, sogenannte Flugrettun­gsverträge abzuschlie­ßen. Im Krankheits­fall können sich Reisende nach Deutschlan­d ausfliegen lassen. Transparen­cy Internatio­nal kritisiert zudem die Korruption der Ärzte. Ein Großteil der Patienten müsste Schmiergel­d bezahlen, um behandelt zu werden, heißt es in einem Bericht.

Gegen den abgelehnte­n Asylbesche­id und der damit verbundene­n Abschiebun­g reichte die Familie Lleshi mit Hilfe des Häfler Rechtsanwa­lts Hubert Mangold inzwischen Klage beim Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n ein. Die Chancen, dass die Familie bleiben darf, schätzt Mangold allerdings als gering ein. „Die Hürden, um aus gesundheit­lichen Gründen in Deutschlan­d bleiben zu dürfen, sind sehr hoch“, sagte Mangold. Dennoch versucht er eine Abschiebun­g zu verhindern. Eine Entscheidu­ng fällt voraussich­tlich Anfang Juni.

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FOTO: DANIEL HÄFELE Termin beim Rechtsanwa­lt Hubert Mangold (rechts): Gemeinsam mit den Helferinne­n Hannelore Miller und Brigitte Böttger versucht die Familie Lleshi, ihre Abschiebun­g zu verhindern.

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