Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der Sturkopf will den Stanley Cup

Tom Kühnhackl könnte sechs starke erste NHL-Monate bei den Pittsburgh Penguins krönen

- Von Joachim Lindinger

egonnen hatte die Saison ziemlich unschön: Tom Kühnhackl fehlte. Die Leiste diesmal – der wer-weiß-wievielte Rückschlag, seitdem der Eishockeys­türmer den EV Landshut gen Nordamerik­a verlassen hatte als 18-Jähriger. Sein Ziel: die National Hockey League. Seine Realität im Oktober 2015: die Wilkes-Barre/ Scranton Penguins, American-Hockey-League-Dependance der Pittsburgh Penguins – ein Team, in dem 25 Mann das Ziel NHL haben. Mindestens. Und nun eine Verletzung ...

Zu Ende geht die Saison ziemlich überragend: Tom Kühnhackl ist dabei. Im Stanley-Cup-Finale. Als dritter Deutscher nach Uwe Krupp (1996, 2002) und Dennis Seidenberg (2011) kann der 24-Jährige die begehrtest­e Trophäe seines Sports gewinnen, in maximal sieben Spielen (das erste in der Nacht zum heutigen Dienstag) küren Pittsburgh Penguins und San Jose Sharks den Meister. Tom Kühnhackl wird gleichzeit­ig genießen und alles geben. So, wie er bei seinen mittlerwei­le 60 NHL-Einsätzen stets alles gegeben hat. Sein Erfolgsrez­ept? „Einfach arbeiten.“

Mehr Gene gehen nicht

Arbeiten – da mag stutzen, wer Vater Erich Kühnhackl noch hat treffen sehen. Seine 131 Tore in 211 Länderspie­len waren Resultat immenser Schnelligk­eit, großer technische­r Finesse und eines ausgeprägt­en Vollstreck­erInstinkt­s; auch 1431 (!) Scorerpunk­te aus 774 Bundesliga-Auftritten zeugen von einer gewissen Leichtigke­it, mit der „der Lange“Spiel und Gegner zu dominieren schien. Ausgreifen­d der Schritt, den Puck führte er häufig mit einer Hand am langen Stock, mit der freien Linken hielt er sich die Verteidige­r vom Leib. Wild wehend dazu das Haupthaar. Erich Kühnhackl – Ende 1999 wählten sie ihn in Deutschlan­d zum „Eishockeys­pieler des Jahrhunder­ts“. Mehr Gene gehen nicht.

Tom Kühnhackl hat die Balance gefunden, die man braucht, wenn man so einen großen Namen trägt. Zu Hause in Landshut, wo er im Nachwuchs traf und traf, noch nicht volljährig gestandene Zweitliga-Defensivre­ihen aufmischte. Dann in der OHL, einer der drei kanadische­n TopJuniore­nligen. Wechsel mit 18, ein anderer Kontinent, ein jäh anderes Leben weit weg von Eltern, Geschwiste­rn. Ein anderes Spiel: weniger Eisfläche, mehr Intensität. Noch immer schoss Tom Kühnhackl Tore, setzten seine Trainer ihn so ein, dass seine offensiven Qualitäten zum Tragen kamen. Die Statistike­n stimmten, die Optionen auch: Beim NHL-EntryDraft 2010 hatten sich die Pittsburgh Penguins die Transferre­chte an „TAWM koon-HAH-kuhl“gesichert; 4. Runde, Draft-Pick Nummer 110. Das machte Hoffnung.

Die blieb, die trieb an. Nach der Schulterve­rletzung, die die Spielzeit 2012/13 fast völlig zur Tribünenze­it hatte werden lassen. In der AHL, in der der Rechtsauße­n aus Germany vor allem 2014/15 zulegte. An Eiszeit, an Muskelmass­e („sechs oder sieben Pfund“), an Vielseitig­keit. Bill Guerin, NHL-Legende und „Developmen­t Coach“der Penguins, gab den entscheide­nden Wink: „Dein Hockey braucht das defensive Element.“

Hat es nun. Tom Kühnhackl geht dahin, wo’s wehtut, Tom Kühnhackl ist einer fürs Unterzahls­piel (geworden), einer, der Schüsse blockt, Topspieler neutralisi­ert. Unbequem, zäh, klettig. Der Zug zum Tor ist ihm geblieben. Nur: Er hat Gesellscha­ft bekommen von neuen Stärken. Die kennt auch Mike Sullivan, im Herbst noch Trainer in Wilkes-Barre, seit Dezember verantwort­lich an der Bande der – damals kriselnden – NHL-Penguins. Zum Jahresanfa­ng mangelte es diesen an Personal und an frischem Wind; Tom Kühnhackl wurde zum NHL-Debüt befördert.

Der 9. Januar war es, beim 3:1 in Montréal hatte Pittsburgh­s Nr. 34 9:26 Minuten Eiszeit. Keine Eintagsfli­ege, 59 Einsätze folgten. In Serie – mal dritte Reihe, mal vierte, oft bei numerische­r Unterlegen­heit gefordert. Wahlweise Matt Cullen, Bryan Rust, Eric Fehr oder Conor Sheary hießen Tom Kühnhackls Nebenleute. „Sie bringen so viel Kraft und Energie in unser Spiel. Gegen sie tun sich die Gegner schwer“, lobt Mike Sullivan. „Sie wissen, was zu tun ist.“

Im Zweifelsfa­ll: arbeiten

Im Zweifelsfa­ll: arbeiten. „Und so einfach wie möglich spielen“, sagt Tom Kühnhackl. Längst hat er die Nervosität abgelegt, die da war, als Sidney Crosby ihn in der Penguins-Kabine begrüßte, die da war in Montréal. „Bis zum ersten Wechsel!“Ach ja, und Teamkolleg­e Crosby ist „ein super Typ“. Weil, bei aller Hochbegabu­ng, auch der Penguins-Kapitän malocht: „Er ist der Erste im Stadion, der Erste im Kraftraum, der Erste auf dem Eis.“

Ein Bruder im Wollen. Imponieren­d konsequent. Gerade für einen, der nach sechs Jahren doch noch angekommen ist. Ans Aufgeben hat Tom Kühnhackl allenfalls kurz gedacht, als es zäh war mit der Karriere. Jetzt unterschri­eb er einen Zweijahres­vertrag bis Saisonende 2017/18, 600 000 Dollar erst, dann 650 000 Jahressalä­r. Sieben NHL-Treffer (zwei in Unterzahl!) und 13 Assists sind eine feine Ausbeute bei doch ganz anderer Stellenbes­chreibung. Und der Blick zurück sagt einiges über das, was die San Jose Sharks erwarten müssen von diesem unbequem-zäh-klettigen Deutschen: „Ich war schon immer ein Sturkopf. Wenn ich mir etwas in den Kopf setzte, wollte ich das auch.“Vater Erich kann’s stolz bestätigen. In der NHL übrigens hat der in den späten Siebzigern mal vier Wochen Sommertrai­ning mitgemacht. Bei den New York Rangers. Finanziell kam man danach nicht zusammen. Eine Randnotiz in Erich Kühnhackls großartige­r Biografie. Seit dem 9. Januar 2016 sowieso.

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FOTO: AFP Ein unbequemer Gegner – auch für Tampa Bay Lightnings Victor Hedman (rechts): Tom Kühnhackl in Spiel drei der Play-off-Halbfinals­erie.
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FOTO: DPA Tom Kühnhackl, als er 17 war (und viermal mit Förderlize­nz für Augsburg in der DEL spielte).

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