Schwäbische Zeitung (Wangen)

Langjährig­er Putin-Vertrauter muss gehen

- Von Klaus-Helge Donath, Moskau

Stabschef Sergej Iwanow musste am Freitag seinen Hut nehmen. Der langjährig­e Weggefährt­e Wladimir Putins war seit 2011 Leiter des Präsidiala­mts. In einer knappen Notiz teilte der Kreml den Abgang des 63-jährigen früheren Geheimdien­stlers auf seiner Webseite mit.

Er wird sich nun als Sonderbeau­ftragter des Präsidente­n um Angelegenh­eiten „des Naturschut­zes, der Ökologie und des Transports“kümmern. Das klingt nicht nach Auszeichnu­ng, sondern eher nach einer Degradieru­ng. Offiziell soll Iwanow den Kremlchef jedoch um die Versetzung gebeten haben.

Für Insider kam die Entlassung nicht unerwartet. Nur der Zeitpunkt kurz vor den Dumawahlen im September überrascht Beobachter wie die Politologi­n Katharina Schulman von der Russischen Akademie für Volkswirts­chaft und Staatsdien­st. „Dass der Wechsel ansteht, war klar“, sagte sie. Was ihn plötzlich so dringlich machte, gibt aber auch Eingeweiht­en Rätsel auf. Manche sehen in der Entscheidu­ng das Bestreben Putins, den engeren Machtkreis zu verjüngen. In den vergangene­n Wochen hatte der Kremlchef mehrere Spitzenpos­itionen mit jüngeren und loyalen Sicherheit­skräften besetzt. Putins Personensc­hützer stiegen zu Gouverneur­en auf.

Technokrat­en-Mannschaft

Neuer Kanzleiche­f wird Iwanows bisheriger Stellvertr­eter, der 44-jährige Anton Wajno, ein Karrieredi­plomat und Protokollf­achmann, der bislang öffentlich nicht in Erscheinun­g trat. Sein Großvater Karl Wajno war bis 1988 Erster Sekretär der Kommunisti­schen Partei der estnischen Sowjetrepu­blik. Anton Wajno gehört zu jener Generation, die Putin im Gegensatz zu den alten Weggefährt­en nur in der Rolle der Führungsfi­gur kennen. Sie sind meist Technokrat­en, die machen, was ihnen aufgetrage­n wird. Putin stellt bereits die Mannschaft zusammen, mit der er in den nächsten Präsidents­chaftszykl­us von 2018 bis 2024 starten will. Iwanow war dagegen mehr als ein langjährig­er Weggefährt­e. Als Putin im Jahr seines Amtsantrit­ts 2000 befragt wurde, wem er vertraue, nannte er an erster Stelle Iwanow. 2007 hatte ihn der Kremlchef neben Dmitri Medwedjew auch als potenziell­en Ersatz-Präsidente­n auserkoren. Als ziviler Verteidigu­ngsministe­r sollte er noch 2000 zur Entmilitar­isierung der russischen Gesellscha­ft beitragen. Ziele, die heute unvorstell­bar klingen. Der Leningrade­r Iwanow schied als Generalleu­tnant aus dem aktiven Dienst des Geheimdien­stes aus. Er gehörte zum engsten Kreis um Putin.

Vor Kurzem ereilte auch Putins alten Datscha-Kollegen Wladimir Jakunin die Entlassung als Eisenbahnm­inister. Bereicheru­ng, vor allem aber die britische Staatsbürg­erschaft seines Sohnes kosteten ihn die Position. Auch Sergej Iwanows Zeit an der Seite Putins war von Skandalen begleitet. Manchmal wünsche sich Putin wohl, dass sich in seinem Umfeld auch saubere Leute bewegten, meint der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie Zentrum.

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FOTO: DPA Sergej Iwanow

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