Kein Kavaliersdelikt
Rund drei Viertel der Kinder von Alleinerziehenden bekommen keinen oder zu wenig Unterhalt vom Ex-Partner. Diese Meldung der Bertelsmann-Stiftung hat zwar überrascht, aber keinen wirklichen Aufschrei ausgelöst. Dafür sorgte die Forderung von Vizekanzler Sigmar Gabriel und Familienministerin Manuela Schwesig für umso mehr Aufruhr: Vätern, die nicht zahlen, soll der Führerschein weggenommen werden. Die Kritik aus der Union folgte prompt. Von Populismus ist die Rede, vom gnadenlosen Ausschlachten des Sommerlochs.
Merkwürdig ist: In einer Republik, in der Parteien regieren, die gerne den Wert der Familie propagieren, werden säumige Unterhaltszahler kaum verfolgt. Die Jugendämter sind zuständig, wenn Väter oder Mütter nicht zahlen. Läuft der Unterhaltsvorschuss nach sechs Jahren aus, werden die säumigen Eltern in vielen Fällen nicht länger verfolgt.
Ob der Entzug des Führerscheins das richtige Mittel ist, darüber lässt sich streiten. Väter in der Stadt wird diese Maßnahme vermutlich wenig beeindrucken. In ländlicheren Regionen drohen existenzielle Einbußen. Andererseits entsteht ein Unrechtsbewusstsein oftmals erst dann, wenn es richtig wehtut. Das wäre beim Autofahren wohl der Fall. Klar ist: Beim Unterhaltsrecht muss sich etwas tun. Die Vorschusszahlungen auszuweiten, wäre ein Anfang.
Wer nicht zahlt, begeht kein Kavaliersdelikt. Ganz im Gegenteil. Wer nach der Trennung für den Nachwuchs nicht aufkommt, entzieht sich schlichtweg der Verantwortung. Warum aus Liebe Rosenkrieg wird, ist dabei völlig egal – und damit auch die Begründung, warum nicht gezahlt wird. Das Geld ist schließlich für diejenigen gedacht, die für das Ende der Familie am wenigsten können: die Kinder.
Die Statistik zeigt, dass nach wie vor besonders die Mütter die Kindererziehung nach der Trennung übernehmen. Fehlt das Geld des anderen Elternteils, knappsen viele am Existenzminimum herum, die Armutsspirale dreht sich weiter. Das alles muss nicht sein, wenn die Politik endlich eine Lösung findet.