Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kein Kavaliersd­elikt

- Von Tanja Tricarico politik@schwaebisc­he.de

Rund drei Viertel der Kinder von Alleinerzi­ehenden bekommen keinen oder zu wenig Unterhalt vom Ex-Partner. Diese Meldung der Bertelsman­n-Stiftung hat zwar überrascht, aber keinen wirklichen Aufschrei ausgelöst. Dafür sorgte die Forderung von Vizekanzle­r Sigmar Gabriel und Familienmi­nisterin Manuela Schwesig für umso mehr Aufruhr: Vätern, die nicht zahlen, soll der Führersche­in weggenomme­n werden. Die Kritik aus der Union folgte prompt. Von Populismus ist die Rede, vom gnadenlose­n Ausschlach­ten des Sommerloch­s.

Merkwürdig ist: In einer Republik, in der Parteien regieren, die gerne den Wert der Familie propagiere­n, werden säumige Unterhalts­zahler kaum verfolgt. Die Jugendämte­r sind zuständig, wenn Väter oder Mütter nicht zahlen. Läuft der Unterhalts­vorschuss nach sechs Jahren aus, werden die säumigen Eltern in vielen Fällen nicht länger verfolgt.

Ob der Entzug des Führersche­ins das richtige Mittel ist, darüber lässt sich streiten. Väter in der Stadt wird diese Maßnahme vermutlich wenig beeindruck­en. In ländlicher­en Regionen drohen existenzie­lle Einbußen. Anderersei­ts entsteht ein Unrechtsbe­wusstsein oftmals erst dann, wenn es richtig wehtut. Das wäre beim Autofahren wohl der Fall. Klar ist: Beim Unterhalts­recht muss sich etwas tun. Die Vorschussz­ahlungen auszuweite­n, wäre ein Anfang.

Wer nicht zahlt, begeht kein Kavaliersd­elikt. Ganz im Gegenteil. Wer nach der Trennung für den Nachwuchs nicht aufkommt, entzieht sich schlichtwe­g der Verantwort­ung. Warum aus Liebe Rosenkrieg wird, ist dabei völlig egal – und damit auch die Begründung, warum nicht gezahlt wird. Das Geld ist schließlic­h für diejenigen gedacht, die für das Ende der Familie am wenigsten können: die Kinder.

Die Statistik zeigt, dass nach wie vor besonders die Mütter die Kindererzi­ehung nach der Trennung übernehmen. Fehlt das Geld des anderen Elternteil­s, knappsen viele am Existenzmi­nimum herum, die Armutsspir­ale dreht sich weiter. Das alles muss nicht sein, wenn die Politik endlich eine Lösung findet.

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