Schwäbische Zeitung (Wangen)

Syrer feiern Sieg über Terrormili­z

Kurden befreien die Stadt Manbidsch vom „Islamische­n Staat“– Dschihadis­ten unter Druck

- Von Benno Schwingham­mer

KAIRO (dpa) - Menschen weinen vor Freude, Frauen verbrennen ihre Schleier, Männer schneiden sich den Bart ab. Videos zeigen feiernde Syrer. Der Erfolg über die Dschihadis­ten der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) in der nordsyrisc­hen Stadt Manbidsch ist eine Befreiung. Doch bis zum endgültige­n Sieg ist es noch weit.

Eine Frau ist außer sich. Vor Freude, sagt sie in einem Video der Nachrichte­nagentur der syrischen Kurdenpart­ei PYD. „Ich kann nicht glauben, dass es passiert ist.“Die Dschihadis­ten hätten die Stadt mit Gewalt besetzt. Und den Sohn ihres Bruders genommen. Sie redet sich in Rage, bis sie sich erschöpft zu Boden wirft.

Seit 2014 war der Ort in Nordsyrien unter der Kontrolle der IS-Terrormili­z. Mehr als zwei Jahre, in denen die Extremiste­n die Bevölkerun­g ihrer Ideologie unterwarfe­n. Am Freitag wurde Manbidsch von kurdischen Truppen für erobert erklärt.

Andere Aufnahmen zeigen eine Kurdenkämp­ferin, die einen offensicht­lich gerührten alten Mann auf die Stirn küsst. Am Straßenran­d brennen Nikabs, schwarze Gesichtssc­hleier. Die Bilder, deren Echtheit sich nicht unabhängig überprüfen lässt, sind mit Musik unterlegt. Die Kurden wissen den Sieg über den IS zu inszeniere­n.

Versorgung­sroute nach al-Rakka

Im Kampf gegen die Terrormili­z ist die Eroberung Manbidschs aber nur ein Etappensie­g. Die Kurden starteten die Offensive auf Aleppo mit USLuftunte­rstützung Anfang Juni. Sie zielte auf die Nachschubw­ege des IS. Denn über Manbidsch lief die Versorgung­sroute von der Türkei nach al-Rakka, der inoffiziel­len Hauptstadt des IS in Syrien. Noch gibt es einen anderen Weg für die Dschihadis­ten, doch die Kurden wollen weiter vorrücken und al-Rakka von der Versorgung abschneide­n.

Die gefürchtet­ste Terrororga­nisation der Welt steht nicht nur in Nordsyrien unter Druck. Noch vor zwei Jahren schien ihr Vormarsch kaum aufzuhalte­n. Dann verstärkte die internatio­nale Gemeinscha­ft ihr Engagement. Luftschläg­e und ein Vorrücken am Boden stoppten den IS.

Mittlerwei­le ist der sogenannte Islamische Staat überall auf dem Rückzug: Falludscha und Ramadi im Irak sind verloren, genauso die Oasenstadt Palmyra in Syrien. Die IS-Hochburg im libyschen Sirte steht kurz vor der Einnahme durch lokale Milizen. Es sind nicht nur die Kurden oder die US-geführte Militärkoa­lition, sondern auch syrische Regimetrup­pen, Russland und die irakische Armee, die aus allen Richtungen vorrücken.

Auch wenn die Vielzahl an Anschlägen in Europa, im Irak und in Syrien, zu denen sich der IS bekennt, ein Bild der Terrormili­z auf der Höhe ihrer Macht vermitteln soll, scheint das Ende der Dschihadis­ten als Territoria­lmacht absehbar. Doch auch wenn der Kampf gegen den IS mit gleichblei­bender Intensität geführt wird, dürfte die Eroberung von alRakka und Mossul noch Monate, vielleicht sogar Jahre dauern.

Auch dann bliebe der IS noch gefährlich, sagt William McCants von der US-Denkfabrik Brookings. Die IS-Führung könnte sich auf das zurückbesi­nnen, was sie vor ihren Eroberunge­n war: eine Terrorgrup­pe ohne Land. „Auch wenn der Islamische Staat sich nicht sofort vom Ende seiner Herrschaft erholt, wird er jahrelang Auftrieb erhalten durch spektakulä­re Anschläge im Ausland“, befürchtet McCants.

In einer IS-Audiobotsc­haft vom Mai machte ein Sprecher den möglichen Verlust der Gebiete der Terrormili­z zum Thema. „Glaubst du, Amerika, dass Niederlage der Verlust einer Stadt oder eines Gebietes bedeutet?“, fragte er rhetorisch. Den Dschihadis­ten ihr Land zu nehmen, würde schließlic­h nicht ihren Willen zum Kampf zerstören.

 ?? FOTO: AFP ?? Auf dem Heimweg: Bewohner der syrischen Stadt Manbidsch freuen sich über die Vertreibun­g der Terrormili­z Islamische­r Staat. Der IS hatte zirka 2000 Zivilisten als Geiseln genommen, sie dann aber freigelass­en.
FOTO: AFP Auf dem Heimweg: Bewohner der syrischen Stadt Manbidsch freuen sich über die Vertreibun­g der Terrormili­z Islamische­r Staat. Der IS hatte zirka 2000 Zivilisten als Geiseln genommen, sie dann aber freigelass­en.

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