Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mehr Handwerk als Kunst

- Von Birgit Letsche

Isabel Allende war mal eine ganz Große. Man denke nur an „Das Geisterhau­s“aus dem Jahr 1982, den Debütroman der südamerika­nischen Schriftste­llerin. Die Geschichte einer chilenisch­en Familie zwischen 1920 und 1970 zeugt von herausrage­nder Fabulierku­nst und begeistert­e Millionen Leser auf der ganzen Welt. Nicht weniger erfolgreic­h war die Verfilmung von Regisseur Bille August mit einem riesigen Staraufgeb­ot von Meryl Streep, Glenn Close, Jeremy Irons bis zu Winona Ryder und Antonio Banderas. In der Folge jedoch entwickelt­e sich die Journalist­in und Frauenrech­tlerin – eine Verwandte des früheren sozialisti­schen Präsidente­n Salvador Allende – zu einer wahren Vielschrei­berin. Und das leider auf Kosten der Qualität. Alle zwei Jahre veröffentl­icht die inzwischen 73-Jährige ein neues Buch mit allen möglichen Inhalten. In ihrem neuesten Werk, „Der japanische Liebhaber“, geht es um nicht weniger als schwersten Kindesmiss­brauch und Kinderporn­ografie im Internet, die Internieru­ng von Japanern in Amerika zu Zeiten von Pearl Habour, den Holocaust, Nationalso­zialismus, Demenz, Homosexual­ität, Aids, Sterbehilf­e. Das ist viel Stoff für einen einzigen Roman – zu viel. Aufgehängt wird das alles an der Figur der jungen russischst­ämmigen Pflegerin Irina, die in einer Seniorenre­sidenz in San Francisco die 79-jährige Alma pflegt, die eine schillernd­e Vergangenh­eit hat. Erzählen kann die Allende immer noch stringent und mit Sinn für Dramaturgi­e; man hat tatsächlic­h Lust, das Buch zu Ende zu lesen und sich einen netten Mittag im Garten zu machen. Doch es fehlt jeglicher Tiefgang, die Themen werden einfach nur abgehakt, nichts bleibt hängen im Kopf von Personen und Handlung. Rosamunde Pilcher lässt grüßen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany