Ein Gewerbeschein sagt nichts über Selbstständigkeit aus
Wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt wurde ein Mann aus Wangen zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt
WANGEN - Vor dem Amtsgericht Wangen musste sich jetzt ein 43-jähriger Mann mit rumänischer Staatsangehörigkeit verantworten. Dem selbstständigen Schweißer war zur Last gelegt worden, vier Landsleuten das Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben. Das Gericht sah diesen Vorwurf ebenso als erwiesen an wie die Anschuldigung der Drohung und Nötigung.
Der Tathergang reicht bis ins Jahr 2013 zurück. Um „mehr Geld zu verdienen“, hatte sich ein im Raum Wangen lebender Rumäne selbstständig gemacht und die Ausführung einzelner Gewerke im Bauhandwerk angeboten. Über das Internet stieß er auf eine Firma, die für eine Baustelle in Osnabrück Trockenbauer suchte. Da er den Auftrag unbedingt erhalten wollte, ließ er sich ohne große Prüfung auf einen „Pauschalpreis nach Aufmaß“ein.
Wiederum über das Internet fand der nun als Subunternehmer auftretende Mann Landsleute, mit denen er Unterverträge schloss. „Weil zu der Zeit alle nur als Selbstständige hier arbeiten durften, wurde für sie ein Gewerbeschein beantragt“, behauptete der Angeklagte. Zunächst habe er mit drei Rumänen angefangen, später seien dann noch einmal drei dazugekommen. Demnach wisse er nur von insgesamt sechs Personen und nicht, wie immer behauptet würde, von acht Arbeitern.
Aus eigener Tasche gezahlt?
Nach der ersten erfolgten Zahlung durch den Bauträger, so der 43-Jährige weiter, habe es dann kein weiteres Geld mehr gegeben. Man habe Mängel in der Ausführung festgestellt. Dabei sei die Leistung „schon o.k. gewesen“. Auf wiederholte Anrufe der Leute bei ihm, die in einem Container untergebracht waren, habe er dann insgesamt 400 Euro „für Essen und Zigaretten“aus eigener Tasche bezahlt. Der eigentliche Lohn hätte seiner Meinung nach von der Baufirma kommen müssen.
Mehr Licht ins Dunkel kam durch einen Zeugen, der im Auftrag des Zollamtes mit der Angelegenheit betraut war. Wörtlich sagte er: „Die Männer haben sich hilfesuchend an die Polizei gewandt und Strafanzeige gestellt. Bei ihrer Vernehmung kam heraus, dass zwei Rumänen bereits auf der Baustelle waren, dann kamen vier und später noch einmal zwei dazu. Das Gewerbe wurde jeweils erst nachträglich angemeldet.“
Auf die Frage, ob dieses Vorgehen üblich sei, antwortete der Zeuge: „Wir kämpfen laufend gegen solche Gewerbeanmeldungen.“Und nachdem der Richter seine Vorstellung von Subunternehmern, die sich ihrerseits Subunternehmer suchten und diese dann Rumänen „für wenig Geld auf die Hand“anstellten, die bei Schwierigkeiten nicht mehr greifbar wären, dargelegt hatte, sagte der Zollbeamte: „So läuft es! Das ist unser Tagesgeschäft!“
„Gewerbeschein nur Stück Papier“
Dem Angeklagten, der immer wieder von seiner Schuldlosigkeit sprach und davon, dass er selber nichts verdient habe, versuchte der Richter zu verdeutlichen: „Es geht hier allein um die Frage, ob die Leute bei ihnen angestellt oder selbstständig waren. Ein Gewerbeschein ist nur ein Stück Papier und sagt darüber nichts aus.“
Wobei der Jurist sich in der Verhandlung davon überzeugt zeigte, dass alle angeworbenen Arbeiter weisungsgebunden und deshalb nicht selbstständig gewesen seien. Sie hätten eine Arbeitserlaubnis gebraucht. Zudem hätte man für sie Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge abführen müssen.
Die Tatsache, dass der Angeklagte in einer Mail an die übergeordnete Baufirma mit den Worten „Wenn sie sich so verhalten, dann ist es nicht gut für ihre Kinder“Druck zur Zahlung ausüben wollte, wertete der Richter als Drohung und Nötigung und bezog das Vergehen in seinen Urteilsspruch mit ein. Der lautete: drei Monate Haftstrafe auf Bewährung und 50 Stunden ableisten von gemeinnütziger Arbeit.
In seiner Begründung machte der Richter noch einmal unmissverständlich deutlich: „Die ungelernten Arbeiter, die aus einem Land kommen, in denen es den Menschen schlecht geht, sind alles Tagelöhner.“An den Angeklagten gewandt sagte er: „Wer hätte sie bezahlen sollen, wenn nicht sie?“Und er fasste zusammen: „Mit so einer Tätigkeit waren sie überfordert. Sie haben keine Ahnung und konnten nicht ermessen, ob der vereinbarte Betrag angemessen war oder nicht. Sie haben sich beschwatzen lassen!“