Erst beim dritten Anlauf hat er Glück
SZ-Sommerserie zur Geschichte der Gastwirtschaft – Heute: Schwarzer Adler
KISSLEGG (sz) - 1516 ist das Jahr des Bieres – das Reinheitsgebot feiert sein 500. Jubiläumsjahr. Auch das Stadtmuseum Wangen greift das „Bierjubiläum“auf, um an die vergangenen Braustätten der historischen Stadt zu erinnern. In der Ausstellung „Volle Kanne“geht es weniger um das Bierbrauen selber, sondern um das lange Gaststättengewerbe von Wangen und Kißlegg. Die „Schwäbische Zeitung“hat dies zum Anlass für eine Sommerserie genommen. In diesen Wochen präsentiert die SZ die Geschichte der Wangener und Kißlegger Gastronomie. Die Texte stammen von Philipp Scheitenberger, Masterstudent an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, und Thomas Weiland, Archivar des Gemeinde- und Pfarrarchivs in Kißlegg.
Die Forschung geht davon aus, dass es seit dem 14. Jahrhundert Tafernwirtschaften in Kißlegg gibt. Das Marktrecht wurde den damaligen Herrschern 1394 zugesprochen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat es vermutlich Wirtschaften gegeben, da es dort für die Händler, die auf den Kißlegger Märkten ihre Waren anboten, Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten geben musste.
Ab dem 16. Jahrhundert lassen sich vier Tafernwirtschaften nachweisen. Diese hatten gegenüber anderen Wirtshäusern mehr Privilegien: Sie durften nicht nur alkoholische Getränke ausschenken, sondern auch Gäste und deren Pferde beherbergen. Sie waren alle entlang des Marktplatzes angelegt.
Auf dem Ortsplan von Kißlegg aus dem Jahr 1704 lässt sich deren Lage angrenzend an den Straßenmarkt nachvollziehen. Hier lagen 1704 die vier Kißlegger Schildwirtschaften „Löwen“, „Goldener Hirsch“, „Roter Ochsen“und „Schwarzer Adler“. Letztere ist Mitte des 18. Jahrhunderts die größte Wirtschaft.
Kupfergeschirr besonders teuer
Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist der „Schwarze Adler“ein reich ausgestattetes Wirtshaus. Es ist nicht nur Inventar zum Ausschank von Bier, Schnaps und Wein vorhanden, sondern auch zum Bierbrauen. Etwa 700 bis 800 Gulden müssen die Wirte in die Hand nehmen, um ihre Tafernwirtschaft komplett auszustatten. Der teuerste Posten ist damals das Kupfergeschirr zum Brauen von Bier und Brennen von Schnaps (70 Gulden) – Kupfer ist damals wie heute ein wertvolles Metall.
Besitzer des „Schwarzen Adlers“ist Anthoni Fraßt. Dieser besitzt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch einen Stadel, einen Garten und eine „Beunde“, also einen Obstgarten. Winterdinkel zum Bierbrauen bezieht Fraßt von einem großen Acker aus dem Osten Kißleggs. Dinkel wird zu dieser Zeit als Vorform des modernen Weizengetreides zum Brauen von obergärigem Dinkelweißbier verwendet – heute nehmen Braumeister dafür Weizengetreide.
Weil das alte Gebäude des „Schwarzen Adlers“, das Fraßt von seiner Mutter geerbt hatte, baufällig geworden war, plant Fraßt Anfang des 18. Jahrhunderts einen Neubau. Nachdem er dafür die Erlaubnis des Grundherren Franz-Christoph Freiherr zu Schellenbergs erhält, lässt er 1702 vom Bregenzer Baumeister Leonhard Albrecht Entwürfe anfertigen.
Auch der Grundherr zu Schellenberg hat ein Wörtchen mitzureden. Er lässt sich von dem Baumeister zu allen den Bau betreffenden Belangen und sogar über die Höhe der Entlohnung der einzusetzenden Handwerker beraten. Diese rücken schließlich am 19. März 1702 an, mit genauen Instruktionen. Der Fassadenaufriss von 1702, der Teil der Entwurfspläne von Leonhard Albrecht ist, zeigt die Planung eines repräsentativen Fachwerkgebäudes mit gemauertem Kellergeschoss beziehungsweise Unterbau und Ziegelplattendach.
Ortsbrand von 1704 wirkt nach
Doch der Neubau steht nicht lange. Der Ortsbrand vom 23. April 1704 zieht auch das Gebäude in Mitleidenschaft. Auf Befehl der Herrscher soll jedoch ein dritter Bau entstehen. Am 28. September 1704 beginnt Anthoni Fraßt mit dem Neubau seines abgebrannten Wirtshauses auf der Hofstelle des Schellenbergischen Amtshauses, und arbeitet daran bis zum Herbst 1705.
An diesem Standort mausert sich die Wirtschaft zum größten Kißlegger Gasthaus. Das Gebäude steht heute übrigens immer noch. Als Gasthaus wird es nicht mehr bewirtschaftet – die schmucke Fachwerkfassade lässt sich aber immer noch bewundern.