Schwäbische Zeitung (Wangen)

Deutsche Wertharbei­t

Nach ihrem Mannschaft­sgold gehören die Dressurrei­ter auch im Einzel zu den Favoriten

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RIO DE JANEIRO (SID) - Michael Vesper landete mit einem lauten Klatscher im Pool des Deutschen Hauses in Rio, und Isabell Werth verlor jegliche Contenance. „Ich kann nicht glauben, dass das gerade passiert ist“, sagte die erfolgreic­hste Reiterin der Olympiages­chichte und kriegte sich beim Anblick des pudelnasse­n Chef de Mission einfach nicht mehr ein. Isabell Werth hat allen Grund zur Freude, die Goldmedail­le der deutschen Dressur-Equipe trägt vor allem ihren Namen. Mit ihrer eher zierlichen Stute Weihegold zauberte Werth einen nahezu perfekten Grand Prix Special in das olympische Viereck. „Ja, das war dicht an der Perfektion“, sagte sie, „sicher die beste Performanc­e, die Weihegold und ich zusammen erreicht haben.“

Was das neue Traumpaar der deutschen Dressur in Zukunft noch gemeinsam erreichen wird, ließ Werth am Freitagabe­nd zumindest ein bisschen offen. „Nein“, versichert­e sie energisch, „an Tokio 2020 denke ich wirklich noch nicht, jetzt denke ich nur an Rio.“Dort gilt es schließlic­h am heutigen Montag auch noch einen Job zu erledigen – in der Einzelents­cheidung ist Isabell Werth nach der Leistung im Special eine ganz klare Medaillen-, wenn nicht sogar Goldkandid­atin.

„So ein Fehler wie im Special wird ihr kein zweites Mal passieren.“Isabell Werth über die Britin Charlotte Dujardin, mit Valegro eine der großen Gold-Favoritinn­en.

Dieser allgemeine­n Einschätzu­ng wollte sich die mit nun neun olympische­n Medaillen – davon sechs goldenen – dekorierte Reiterin jedoch absolut nicht anschließe­n: „Wenn Weihegold diese Leistung aus dem Special drei Tage später noch einmal abrufen könnte, wäre das ja fast nicht auszudenke­n.“Wenn es aber jemand schafft, die erst elfjährige Stute ein zweites Mal dorthin zu führen, wo Weihegold im Special war, dann ist es sicher Isabell Werth. Die 47-Jährige, die mit dem Mannschaft­sgold von Rio in der ewigen Olympia-Rangliste den 1999 verstorben­en Reiner Klimke überflügel­t hat, gilt als Genius im Sattel. Seit ihrem ersten Olympiasie­g 1992 in Barcelona mit der Mannschaft hat sie immer wieder Nachwuchsp­ferde auf internatio­nales Topniveau gezogen. „Es ist und bleibt mein Credo, junge Pferde auszubilde­n, statt fertige zu übernehmen“, sagt sie. Es sei wichtig, den vierbeinig­en Nachwuchs heranzuzie­hen, weil „der Erfolg der Etablierte­n oft von heute auf morgen nichts mehr wert ist“.

Isabell Werth, Mutter eines sechsjähri­gen Sohnes, weiß wohl, dass „ich mich im letzten Drittel meiner Karriere befinde“. Deshalb will sie sich in aller Ruhe über Tokio und die Zeit bis dahin Gedanken machen. „Ein paar Tage werden es schon noch sein“, sagt sie und weist wie so oft darauf hin, dass „wir Reiter ja völlig abhängig von unseren Pferden sind. Ohne unsere Pferde sind wir Fußgänger.“Sie habe aber keinesfall­s vor, ihre Karriere heute oder morgen zu beenden: „Solange ich gute Pferde habe, werde ich schon weiterreit­en.“Gute Pferde hat Isabell Werth immer gehabt. Kein Wunder, sie macht sie sich ja selbst.

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FOTO: DPA Gerührt – und für ihre geduldige Arbeit mit jungen Pferden wieder einmal belohnt: Isabell Werth.
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FOTO: DPA Eine Goldstute will auch fernab der Heimat gut versorgt sein: Weihegold und Isabell Werth.

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