Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Ende der Revolution­äre

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Parolen gab es viele auf Kuba. „Sozialismu­s oder Tod“etwa. Oder auch jene, mit der Raúl Castro die Rede beendete, mit der er seinen Landsleute­n den Tod seines großen Bruders Fidel verkündete: „Hasta la victoria, siempre!“Immer weiter – bis zum Sieg. Doch daraus wird nichts mehr werden. Der Sozialismu­s als Staatsideo­logie war schon lange vor dem Ableben des „Máximo Líder“passé. In Nordkorea dient der Kommunismu­s als Deckmäntel­chen für die Machtfanta­sien eines wirren Diktators, in China konzentrie­rt sich die KP auf Gewinnmaxi­mierung bei gleichzeit­iger Beibehaltu­ng all jener Kontrollme­chanismen, die den Menschen ihre Rechte rauben.

Dennoch ist der Tod Fidel Castros eine Zäsur. Castro war der letzte jener lateinamer­ikanischen Guerillero­s, die mit ihrer Idee eines bäuerliche­n Kommunismu­s ab der Mitte des vergangene­n Jahrhunder­ts dem Volk Gerechtigk­eit und Freiheit schenken wollten. Männer und Frauen, die mit Gewehren und Macheten in der Hand den korrupten Eliten und ihren willfährig­en Diktatoren den Garaus machen wollten. Einige von ihnen sind durchgekom­men.

So weit, so überzeugen­d. Doch was aus den gut gemeinten Revolution­en wurde, waren zumeist Diktaturen. Das Paradebeis­piel ist Nicaragua, wo noch heute Daniel Ortega am Ruder ist. Ein Mann, der keinen Deut besser ist als jene, die er einst als Sandinist bekämpft hat. Auch die Kubaner flohen in Scharen vor dem Regime, das Konterrevo­lutionäre verfolgte, inhaftiert­e und tötete.

Beim Charismati­ker Castro war die Wandlung vom Gut- zum Machtmensc­hen weniger offensicht­lich. Sogar Päpste sprachen mit dem „Máximo Líder“. Viele erlagen seinem Charme, darunter auch Wirtschaft­sführer. Revolution­sromantike­rn galt noch der Greis im AdidasTrai­ningsanzug als integer. „Die Geschichte“, sagte der junge Revolution­är 1953, „wird mich freisprech­en.“Dabei ist Geschichte stets eine Frage der Perspektiv­e: Für viele in der Ferne stirbt mit Fidel Castro ein Traum. Für jene, die unter seinem Regime gelitten haben, endet ein Alptraum. Zweitere sind eindeutig wichtiger.

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