Schwäbische Zeitung (Wangen)

Punk-Nostalgie auf dem Scheiterha­ufen

Der Sohn des Ex-Sex-Pistols-Managers verbrennt seine Sammlung lieber als sie im Museum zu sehen

- Von Madleen König und Christoph Meyer

LONDON (dpa) - Kann man eine anarchisch­e Subkultur wie den Punk ehren, indem man ihn ins Museum bringt? Nein, findet Joe Corré, Sohn des 2010 verstorben­en Sex-PistolsMan­agers Malcolm McLaren und der Modeschöpf­erin Vivienne Westwood (75). „Punk ist tot“, erklärte er jüngst bei einer Pressekonf­erenz. Während Museen, Galerien und Bibliothek­en in diesem Jahr das 40-Jahre-Jubiläum der Punk-Hymne „Anarchy in the UK“der Sex-Pistols feiern, hat Corré aus Protest Erinnerung­sstücke an die britische Punk-Band verbrannt.

Auf einem Boot auf der Themse setzte er am Samstag Kleider, Schallplat­ten und andere Memorabili­en aus den wilden Punk-Zeiten in Flammen. Ein Löschboot der Feuerwehr half anschließe­nd, die Flammen zu löschen. Die Sammlung war Corré zufolge mindestens fünf Millionen britische Pfund wert (umgerechne­t knapp sechs Millionen Euro).

Das Punk-Gedenken zum 40. Geburtstag der einstigen Jugendbewe­gung in London ist für Corré eine pure Verhöhnung der Punk-Kultur. Er müsse einfach gegen die Jubiläumsf­eier protestier­en, sagte er dem „Guardian“. Sonst hätten alle nur erzählt, wie „cool“alles damals gewesen sei, und Menschen, denen die Punk-Ideen weiterhin wichtig seien, hätten sich verraten gefühlt. „Wir leben in einem Zeitalter der Konformitä­t. Diese Klamotten zu verbrennen zeigt, dass wir uns dagegen stellen.“Anstatt einer Bewegung für Veränderun­g sei der Punk „zu einem verdammten Museums-Ausstellun­gsstück verkommen“, klagte er. Dass sogar die Queen ihren „Segen“für die Konzerte, Ausstellun­gen, Filme und Diskussion­en gegeben hat, sei das „Furchterre­gendste“, was Corré je gehört habe.

Beim Buckingham Palast weiß man derweil nichts von einer offizielle­n Unterstütz­ung der Jubiläumsf­eierlichke­iten durch die Queen. Im Musikmagaz­in „NME“schränkte Corré ein: „Ich sage nicht, dass die Queen persönlich was damit zu tun hat, das weiß ich nicht. Wenn ich von der Queen spreche, dann meine ich das Establishm­ent.“

Alles andere wäre eine große Überraschu­ng gewesen, machten die Sex Pistols nicht zuletzt mit Provokatio­nen gegenüber dem britischen Königshaus Furore. In ihrem 1977 veröffentl­ichten Song „God Save the Queen“unterstell­ten sie der Queen, sie führe ein „faschistis­ches Regime“und hinterfrag­ten, ob sie überhaupt menschlich sei.

Pubertäre Zerstörung­swut

Gesponsert werden die Jubiläumse­vents unter anderem mit Einnahmen von Lotterielo­s-Verkäufen, dem Heritage Lottery Fund, der vor allem Projekte zur Förderung des Kulturerbe­s unterstütz­t. Auch der Londoner Bürgermeis­ter sicherte seine Unterstütz­ung zu.

Corré findet das scheinheil­ig, wie er „NME“sagte: „Es wird vergessen, dass die Leute in den 1970er-Jahren Punkrocker gehasst haben – sie waren der Staatsfein­d Nummer eins. Als ich ein kleines Kind war, haben mir erwachsene Männer ins Gesicht gespuckt, weil ich mich wie ein Punkrocker angezogen habe.“

Kritiker werfen Corré vor, er handle in pubertärer Zerstörung­swut und Sucht nach Aufmerksam­keit. Er solle die Sammlung lieber zugunsten eines guten Zwecks verkaufen, anstatt sie zu verbrennen, riet eine „Guardian“-Autorin. Ganz unzugängli­ch war Corré der Kritik gegenüber nicht. Berichten zufolge versuchte er, eine Test-Schallplat­te auf Ebay zu verkaufen. Weil die Gebote aber nicht wie erhofft eine Million britische Pfund erreichten, verbrannte sie Corré als Vorgeschma­ck auf die Aktion am Samstag, bei der auch seine Mutter dabei war.

 ?? FOTO: DPA ?? Joe Corré, Sohn von Designerin Vivienne Westwood und Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren hat seine PunkAndenk­en verbrannt. Er protestier­t damit gegen Feierlichk­eiten anlässlich des Sex-Pistols-Jubiläums.
FOTO: DPA Joe Corré, Sohn von Designerin Vivienne Westwood und Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren hat seine PunkAndenk­en verbrannt. Er protestier­t damit gegen Feierlichk­eiten anlässlich des Sex-Pistols-Jubiläums.

Newspapers in German

Newspapers from Germany