Nase vorn in schwerer See
Ein Bremer Schiffsbildhauer schnitzt Galionsfiguren
HARRIERSAND (dpa) - Schnitzen in anderen Dimensionen: Claus Hartmann arbeitet mit Holzstämmen von bis zu vier Meter Länge. Zunächst übernimmt er die Umrisse seines Entwurfes auf dem Holz, dann beginnt er mit einer großen Benzinmotorsäge den Kopf- und Schulterbereich, in seinem Garten auf der Weserinsel Harriersand bei Bremerhaven, auszuschneiden. Nach einer Woche Arbeit kann man die grobe Form einer Galionsfigur erkennen. Nur noch wenige Menschen gehen dieser Profession nach.
„Das ist eine sehr kleine Szene. Es gibt nur ein paar Hundert Segelschiffe weltweit“, sagt Hartmann. Er hatte schon früh ein Talent zum Schnitzen. „Kunst war immer mein bestes Fach und ich kann auch gut mit Maschinen umgehen.“Dennoch hat der heute 58-Jährige erst etwas anderes gelernt, da er nicht vom Künstlerleben überzeugt war. Erst als er während seines Studiums von zwei Schiffsbildhauern hörte, die in den 1970erund 1980er-Jahren Galionsfiguren angefertigt haben, kam er auf die Idee, es selbst zu versuchen. Seit mittlerweile 22 Jahren fertigen Claus und Birgit Hartmann die Figuren für verschiedene Schiffe an.
„Mittlerweile haben wir uns über die ganze Welt ausgebreitet“, sagt der Künstler. Somit zählt zu den jüngsten Auftraggebern des Paares die indonesische Marine. Für ein Schulschiff kreiert Hartmann eine 450 Kilogramm schwere Figur, die die mythologische Figur „Bima Suci“darstellen soll. Dabei symbolisiert die Galionsfigur, die in diesem Fall aus Bronze und nicht aus Holz ist, mehr als nur ein Schmuckstück am Schiff – „Bima Suci“repräsentiere Kraft, Entschlossenheit, aber auch Verbindung und Teamgeist, erklärt der Schiffsbildhauer. „Also alles das, was bei der Navy von ihren Kadetten erwartet d.“
Die meisten Figuren sind allerdings aus dem lebendigen Arbeitsstoff Holz. Nachdem er die grobe Form seiner Figur mit der Benzinmotorsäge ausgeschnitten hat, wechselt Claus Hartmann zu einer kleineren, handlicheren Motorsäge und beginnt die Feinheiten herauszuarbeiten. „Das ist alles ein Maschinenprozess, und am Ende wird es dann so glatt geschliffen wie der Auftraggeber das möchte.“Galionsfiguren, die ein Schiff zieren sollen, müssen anschließend grundiert werden, denn die Farbe muss vor Sonnenlicht und Seewasser geschützt sein.
Halbes Jahr Arbeit
An den Entwürfen arbeitet das Künstlerpaar in Rücksprache mit den Auftraggebern teils bis zu einem halben Jahr. Danach geht alles ganz schnell: „Dann bin ich auf niemand anderen angewiesen als auf mich selber und auf gute Maschinen.“Ein hoher Maschinenverschleiß bleibt nicht aus: Im Herbst hatte er bereits die dritte kleine Fräse für dieses Jahr in Gebrauch.
Dabei arbeitet Hartmann parallel an drei oder vier Projekten gleichzeitig. Mittlerweile gingen insgesamt knapp 40 Galionsfiguren aus der Werkstatt auf der Insel Harriersand in die Welt hinaus. Da jede Figur unterschiedlich ist, gibt es keine festen Preise. Je nach Aufwand und Detailarbeit schwankt der Betrag. Die mit Galionsfigur ausgestatteten Schiffe fungieren dabei wie eine fahrende Visitenkarte. So kommen viele Aufträge über Kontakte zustande.
Hartmann arbeitete auch schon für das Schulsegelschiff der deutschen Marine, die „Gorch Fock“. Für das Marineschiff hat er eine Galionsfigur angefertigt. „Es ist auch manchmal so, dass ein Schiff die Galionsfigur verliert.“Auch Hartmanns Albatros ereilte einst ein trauriges Schicksal – seine Figur ging 2003 in einer stürmischen Nacht in der Biskaya verloren.