Energiewende soll Jobmotor werden
Umweltminister stellt erste Studie zu Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Land vor
STUTTGART - Zum ersten Mal hat sich eine Studie mit der Frage beschäftigt, wie sich die Energiewende auf den baden-württembergischen Arbeitsmarkt auswirkt. „Gut jeder 100. Arbeitsplatz im Land hängt mit der Energiewende zusammen“, erklärte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) bei der Vorstellung der Untersuchung am Montag in Stuttgart. Sein Ministerium hatte diese in Auftrag gegeben.
Unterstellers Hoffnung richtet sich vor allem auf die effizientere Nutzung von Energie und Ressourcen – etwa dadurch, dass Gebäude besser gedämmt und wertvolle Materialien wiederverwertet werden. Hier schöpfe der Südwesten sein Potenzial noch nicht aus, wie er sagte. Dass gerade im Untersuchungszeitraum die Zahl der Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien gesunken ist, dämpft Unterstellers Optimismus nicht.
Im Mittelfeld der Bundesländer
Konkret hat die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung für die Studie das Jahr 2014 beleuchtet und mit 2013 verglichen. Demnach hingen 2014 insgesamt 56 500 Arbeitsplätze im Südwesten direkt oder indirekt von der Energiewende ab – 4000 weniger als im Vorjahr. Mit diesen Zahlen lande BadenWürttemberg im Bundesvergleich auf Platz elf – es gebe also Nachholbedarf, so Untersteller. Den Wegfall von Arbeitsplätzen erklärte er vor allem mit dem Einbruch in der Solarbranche: Produktionsstätten seien von Baden-Württemberg nach Asien abgewandert, zudem seien in den Jahren 2012 und 2013 ein vielfaches an Fotovoltaikanlagen auf den Dächern im Land montiert worden im Vergleich zu den Folgejahren – nicht zuletzt aufgrund von Änderungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Aber auch in anderen Bereichen fallen aktuell Jobs weg: Der Energiekonzern EnBW baut Hunderte Stellen ab, ebenfalls 1000 Arbeitsplätze sind am General-Electric-Standort in Mannheim in Gefahr. So sagte der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Nikolaus Landgraf zwar, dass die Energiewende, vor allem der Bereich Energieeffizienz, sehr wohl ein Jobmotor werden könne. Aber: „Es gibt keinen Automatismus.“
Alte Arbeitsplätze fallen weg
Ralf Löckener, der für die Beratungsgesellschaft Sustain Consult an der Studie mitgearbeitet hat, verwies auf einen „Drehtür-Effekt“im Energiesektor. Der Energiemarkt durchlaufe derzeit einen massiven Wandel, sagte er. Dabei gingen konventionelle Jobs verloren, die Mitarbeiter gelten laut Löckener für die neuen Anforderungen oft als schlecht geeignet. Großen Nachholbedarf gebe es auf diesen neuen Arbeitsfeldern bei der Interessensvertretung der Arbeitnehmer. So betonte auch DGB-Landeschef Landgraf, dass Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung in den Geschäftsfeldern, die mit der Umsetzung der Energiewende zu tun haben, keine Selbstverständlichkeit seien. „Das muss immer wiederneu erkämpft werden.“
Einen Ausblick für 2015 oder gar darüber hinaus bot Untersteller nicht. „Das wäre unseriös“, sagte er, verwies aber zugleich auf den massiven Ausbau der Windenergie im Land, der „bislang sehr theoretisch“gewesen sei und nun Fahrt aufgenommen habe. Seien 2014 noch zehn bis zwölf Anlagen errichtet worden, so seien es 2015 mehr als 100 gewesen. Für 2016 erwarte er zudem ein „Rekordjahr“, so Untersteller.