Der Entzauberte
Nach dem Scheitern seiner Gesundheitsreform will sich Donald Trump den Steuern widmen
WASHINGTON - Nach dem Scheitern ihrer Gesundheitsreform im Parlament bemühen sich US-Präsident Donald Trump und die Republikaner um Schadensbegrenzung. Jetzt will sich Trump einem anderen großen Wahlversprechen zuwenden: „sehr, sehr starken“Steuersenkungen. Dies im Kongress durchzusetzen, könnte aber auch schwierig werden.
Trump machte am Wochenende die Demokraten für das unrühmliche Ende der Gesundheitsreform verantwortlich – obwohl seine eigene Partei im Repräsentantenhaus eine bequeme Mehrheit hat. Doch mehrere seiner Parteikollegen wiesen mit dem Finger auf den US-Präsidenten, der es nicht geschafft habe, das Gesetzeswerk in den eigenen Reihen durchzubringen. Die Republikaner hatten die Gesetzesvorlage am Freitag kurz vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus zurückgezogen, weil keine Mehrheit in Sicht war.
Flexibler Geschäftsmann
Trump würde Nägel mit Köpfen machen, so hatte er sich selbst verkauft. Im Wahlkampf gab er den flexiblen Geschäftsmann, der etwas vom Verhandeln versteht und daher durchsetzen wird, woran Generationen inkompetenter Berufspolitiker gescheitert sind. „Ich allein kann es in Ordnung bringen“, das war der Satz, in dem seine Anmaßung gipfelte. Dass der Immobilienmogul an seinem ersten großen Gesetzesvorhaben gescheitert ist, ist deshalb mehr als eine normale politische Niederlage. Es ist ein Moment, in dem er mit aller Härte auf dem Boden einer Realität landete, die er ignoriert hat.
Noch nie in der jüngeren Geschichte der USA hat ein Präsident einen holprigeren Start hingelegt. Trumps Einreiseverbot für Bürger aus bestimmten islamisch geprägten Staaten wurde zweimal von Gerichten blockiert. Der durch nichts belegte Vorwurf, Barack Obama habe ihn abhören lassen, lässt ihn als Lügner dastehen. Die Schlappe bei dem Versuch, Obamas Gesundheitsreform abzuwickeln und durch ein abgespecktes, angeblich effizienteres Paket zu ersetzen, offenbart fehlende Kompetenz.
Sieben Jahre hatten die Republikaner Zeit, um durch eigene Entwürfe zu untermauern, was sie unablässig predigten: Obamacare auszutauschen. Bei Trump wurde daraus das Versprechen, die Reform seines Vorgängers schon am ersten Tag im Oval Office zu kassieren, als bedürfte es dazu nur eines Federstrichs. Nun sehen die Amerikaner, dass alles nur Getöse war. An kernigen Slogans mangelt es zwar nicht, wohl aber an belastbaren Alternativen, auf die sich die beiden Fraktionen am jeweiligen Ende des republikanischen Spektrums einigen konnten: hier gemäßigte Konservative, dort der Tea-Party-beseelte „Freedom Caucus“, der den Staat auf ein Mindestmaß zurechtstutzen will.
Nach dem Debakel vom Freitag soll bei der Gesundheitsreform zunächst alles beim Alten bleiben. Zwar versprach Vizepräsident Mike Pence, der „Obamacare-Alptraum“werde beendet werden. Auch Trump prophezeite am Samstag via Twitter, dass Obamacare explodieren werde: „Und wir werden alle zusammenkommen und einen großartigen Gesundheitsplan für das Volk zusammenstellen.“Ein neuer Anlauf der Republikaner bei der Gesundheitsreform scheint aber vorerst unwahrscheinlich. „Wir müssen auf absehbare Zukunft mit Obamacare leben“, sagte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan.
Bis August will Trump nun eine Steuerreform durchs Parlament bringen. Sich bei diesem Thema zu einigen, werde den Republikanern leicht fallen, orakelt der Entzauberte. Doch selbst in den eigenen Reihen gibt es viele, die seinen Optimismus nicht teilen. Zum einen hat ihm die Niederlage der vergangenen Woche den Wind aus den Segeln genommen. Zum anderen sollte „Trumpcare“spürbar reduzieren, was der Staat im Gesundheitssektor ausgibt. Damit sollte das Paket finanziellen Spielraum für Steuersenkungen schaffen – einen Spielraum, der nun fehlt.
Risiko von Handelskriegen
Zudem dürften sich die zerstrittenen Fraktionen in die Haare kriegen, sobald um Einzelheiten gestritten wird. Noch als Kandidat hatte Trump angekündigt, die Unternehmenssteuer von 35 auf 15 Prozent zu senken: Moderaten Republikanern geht das zu weit. Der protektionistische Flügel, angeführt vom Chefstrategen Steve Bannon, verlangt wiederum die Einführung einer Grenzausgleichssteuer, was darauf hinausläuft, Exporte weitgehend von Steuern zu befreien, Importe dagegen zu belasten. Ein solcher Schritt birgt das Risiko internationaler Handelskriege. Weshalb jene Konservative, die ihre Partei als Verteidigerin des Freihandels verstehen, davor warnen.