Volkswirte beurteilen Lage optimistisch
Trotz Risiken sehen Ökonomen die deutsche Wirtschaft auf einem stabilen Kurs
NÜRNBERG (dpa) - Ökonomen erwarten trotz Brexit und anderer globaler Risiken eine stabile Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Viele Indikatoren, vor allem die unverändert gute Arbeitsmarktlage, sprächen für eine anhaltend stabile Aufwärtsentwicklung. Das schließe nicht aus, dass der Konjunkturmotor in der zweiten Jahreshälfte etwas an Tempo verliere, prognostizierten Volkswirte deutscher Großbanken.
Beim Wirtschaftswachstum sind die meisten Fachleute der großen Geldhäuser einen Tick optimistischer als die fünf „Wirtschaftsweisen“. Diese rechnen inzwischen für das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr mit einem Anstieg von 1,4 Prozent. DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein geht nach einem „starken ersten Quartal“inzwischen von 1,5 Prozent aus, Commerzbank-Ökonom Eckart Tuchtfeld von 1,6 und Rolf Schneider von der Allianz sogar von 1,7 Prozent Wachstum.
Auf dem Arbeitsmarkt rechnen die Volkswirte für dieses Jahr mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit – je nach Annahmen um 60 000 bis 100 000 im Jahresdurchschnitt. Dabei unterstellen die meisten Ökonomen, dass sich der starke Rückgang der Arbeitslosenzahl im ersten Quartal 2017 im Jahresverlauf deutlich verlangsamt. Grund seien die 2015 und 2016 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge, die nach Absolvierung ihrer Integrations- und Förderkurse verstärkt auf den Arbeitsmarkt drängen werden.
Besserung in Schwellenländern
Mit 2,692 Millionen liege die Zahl der Erwerbslosen um rund 70 000 niedriger als im Januar, berichten Ökonomen unter Berufung auf eigene Berechnungen. Das wären 150 000 weniger Jobsucher als vor einem Jahr. Aus Sicht des Allianz-Experten Schneider spricht neben der guten Beschäftigungslage auch der starke Export dafür, dass der Konjunkturmotor weiter rundläuft. Vor allem in den Schwellenländern, wichtige Abnehmer für die Exportindustrie, gehe es wieder besser. In Russland und Brasilien gehe die Rezession zu Ende. „Und auch in China läuft es wieder stabiler.“
Die deutsche Wirtschaft dringt auf schnellstmögliche Rechtssicherheit über die Konditionen des EU-Austritts Großbritanniens. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, sagte: „Je konkreter die britische Regierung ihr Austrittsgesuch formuliert, desto besser.“Kempf ist der Meinung, dass es schwierig wird, „negative Folgen – insbesondere für die Unternehmen im Vereinigten Königreich – abzuwenden. Die EU ist der wichtigste Exportmarkt für die britische Wirtschaft. 44 Prozent der Exporte gehen von der Insel in die EU.“
Aber auch Deutschland und Großbritannien verbinden enge Handelsbeziehungen. Nach den USA und Frankreich ist das Vereinigte Königreich der drittgrößte Abnehmer deutscher Exportgüter. Die Bundesrepublik lieferte im Jahr 2015 laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden Waren im Wert von 89 Milliarden Euro nach Großbritannien – mehr als sieben Prozent aller deutschen Ausfuhren. Begehrt auf der britischen Insel sind in erster Linie Autos und Autoteile sowie Maschinen und Pharmaerzeugnisse.