Forscher kritisieren „Asyllotterie“
Unterschiedliche Anerkennungsquoten in den Ländern – Bamf widerspricht Konstanzer Studie
KONSTANZ/RAVENSBURG (AFP/ alm) - Die Frage, ob ein Asylbewerber in Deutschland als Flüchtling anerkannt wird, hängt einer Studie zufolge nicht nur von seinen Fluchtgründen ab: Forschern der Uni Konstanz zufolge spielt auch eine erhebliche Rolle, in welchem Bundesland ein Flüchtling seinen Antrag stellt. Die Wissenschaftler sprachen von einer „AsylLotterie“. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) widersprach der Aussage.
Nach der am Montag veröffentlichten Studie gibt es trotz einheitlicher Regeln teils große Unterschiede zwischen den Anerkennungsquoten in den Ländern. Die Bamf-Mitarbeiter würden in ihren Entscheidungen über Anträge Rücksicht auf „wahrgenommene Befindlichkeiten“des Bundeslandes nehmen, in dem das jeweilige Entscheidungszentrum der Bundesbehörde angesiedelt ist, schreiben die Autoren Lisa Riedel und Gerald Schneider in der „Politischen Vierteljahresschrift“.
Spitzenreiter bei den Anerkennungsquoten waren der Studie zufolge in den Jahren 2010 bis 2015 das Saarland mit 69 Prozent und Bremen mit 55,7 Prozent. Schlusslichter waren Sachsen mit 26,9 Prozent und Berlin mit 24,6 Prozent. Dieser Unterschied sei im Untersuchungszeitraum auch bezogen auf einzelne Jahre grundsätzlich erhalten geblieben, obwohl die Anerkennungsquote bundesweit von 2010 bis 2015 stark anstieg.
In Baden-Württemberg wurden 30,3 Prozent der Asylanträge positiv entschieden. Damit belegt der Südwesten nur den 11. Platz in der Länder-Rangliste. „Das ist überraschend, wenn man bedenkt, dass die Grünen an der Regierung in Stuttgart beteiligt sind“, sagte Gerald Schneider im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die Anerkennungsquote in Bayern war mit 31,9 Prozent höher.
Die Forscher berücksichtigten, ob sich die Unterschiede durch einen unterschiedlichen Anteil von Flüchtlingen aus bestimmten Herkunftsländern in den verschiedenen Bamf-Zentren erklären ließen. Tatsächlich ergaben sich der Studie zufolge für Flüchtlinge aus Syrien unterschiedliche Anerkennungsraten. In BadenWürttemberg betrug sie 87,2 Prozent, in Bayern 86,2 Prozent. Spitzenreiter war Saarland mit 91,5 Prozent, während die Quote in Niedersachsen nur 72,6 Prozent betrug.
Noch größer waren die Differenzen bei Flüchtlingen aus dem Irak und Afghanistan. So wurden in Niedersachsen 75,5 Prozent der Asylanträge aus dem Irak anerkannt, in SachsenAnhalt dagegen nur 37,5 Prozent. Mit jeweils 64,9 Prozent und 66,6 Prozent waren die Quoten für Iraker in BadenWürttemberg und Bayern relativ hoch. Dagegen hatten die Afghanen mit 15,1 Prozent in Baden-Württemberg und 12,9 Prozent in Bayern eher schlechte Anerkennungschancen. In Nordrhein-Westfalen betrug die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus Afghanistan immerhin 34,4 Prozent.
Die Forscher stellen einen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Anerkennungsquoten und sozioökonomischen Merkmalen der Bundesländer her. So ist die Quote in Ländern mit höherer Einwohnerzahl oder solchen mit relativ niedriger Arbeitslosenquote höher als in Ländern mit weniger Einwohnern oder mit relativ hoher Arbeitslosenquote.
Fremdenfeindlichkeit wirkt
Besonders gering ist die Quote der Studie zufolge in Bundesländern, in denen eine hohe Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe registriert wurde. Offensichtlich wirke sich eine rechtsextreme Stimmung in Teilen der Bevölkerung eines Landes auf Entscheidungen in den dort angesiedelten Bamf-Außenstellen aus, folgern daraus die Konstanzer Wissenschaftler.
„Eine Bundesbehörde sollte unabhängig von Befindlichkeiten in einem Bundesland entscheiden“, kritisierte Schneider diesen Befund. Er sprach sich dafür aus, den Handlungsspielraum des einzelnen Entscheiders einzuschränken. Außerdem sollten die Entscheidungen überwacht werden, um größere Transparenz zu sichern.
Das Bamf wies die Darstellung zurück. Jeder Schutzsuchende habe – egal an welchem Standort sein Asylverfahren entschieden wird - die gleiche Chance auf asylrechtliche Anerkennung, erklärte die Behörde: „Dies ist unabhängig von der gesellschaftlichen oder politischen Situation in den einzelnen Bundesländern.“