Videos belasten Angeklagten
Kameras in Autobahntunnel belegen Autofahrt in der Tatnacht
RAVENSBURG - Der dritte Verhandlungstag gegen einen 46-Jährigen aus Berg am Landgericht Ravensburg hat weitere Details zur Ermittlungsarbeit der Polizei und zur Beziehung des Ehepaars ans Tageslicht gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus Berg vor, Anfang Juli letzten Jahres den Selbstmord seiner 43-jährigen Ehefrau inszeniert zu haben.
Wie ein Kriminalhauptkommissar vor Gericht aussagte, habe sich der Verdacht gegen den 46-Jährigen nach Überprüfungen seiner Angaben aus seiner ersten Vernehmung am 11. Juli ergeben. Am 9. Juli habe er seine drei Kinder wie verabredet zu einem gemeinsamen Wochenende in den Erdinger Thermen abgeholt. Die Nacht habe man gemeinsam in einem Zimmer im Hotel Victory verbracht. Gegen halb zwei morgens habe er das Hotel verlassen, um sich in einem Shop einen Tee gegen seine Magenbeschwerden zu kaufen und um in seinem Wagen Mineralwasser zu holen. Gegen sechs Uhr sei er noch einmal zu seinem Wagen gegangen und habe Mineralwasser geholt.
Fünf-Stunden-Zeitfenster
Laut Anklageschrift aber soll der 46Jährige dieses Zeitfenster von mehr als fünf Stunden genutzt haben, um von Erding nach Berg zu fahren, seine Frau im Schlaf zu erwürgen, ihren Selbstmord vorzutäuschen und wieder nach Erding zurückzufahren.
Diese Behauptung konnte ein Polizeiobermeister am gestrigen Verhandlungstag vor dem Schwurgericht untermauern. Im Auftrag der bearbeitenden Sonderkommission hat der 28-Jährige die Strecke ErdingBerg untersucht und Überwachungskameras an Tunneln und Tankstellen zum fraglichen Zeitpunkt ausgewertet.
Infrage kamen vor allem der Tunnel Allach auf der A 99 und der Kolbergtunnel auf der A 96. Gesucht haben die Beamten einen weißen Skoda Yeti mit mindestens drei auffälligen, individuellen Merkmalen: ein Aufkleber der Firma des Angeklagten, eine Anhängerkupplung und ein auffälliges Rücklicht. „Wir haben jeweils nur ein Auto mit diesen Merkmalen zur fraglichen Zeit in den Tunneln identifiziert“, sagte der Polizist. Zur Absicherung dieses Ergebnisses machten die Beamten Vergleichsfahrten auf besagter Strecke. Einmal mit dem Wagen des Angeklagten und einmal mit einem baugleichen Typ.
Zu den Fakten äußerte sich der Angeklagte vor Gericht nicht. Es steht aber nach wie vor seine Aussage bei der Polizei zu Protokoll, nach der er sich den Sachverhalt nicht erklären könne. Sein Anwalt Hans Bense erklärte, dass der Ermittlungsauftrag subjektiv sei, da die Polizei ein begrenztes Zeitfenster betrachtet habe.
Ausführlicher bezog der Verteidiger im Namen seines Angeklagten Stellung zu den Aussagen von Freundinnen seiner Ehefrau. Wie eine 43-Jährige berichtete, sei der Angeklagte nach der Trennung bei einigen ge- meinsamen Unternehmungen der beiden aufgetaucht und „herumgeschlichen“. Er wisse immer, wo sie sei, kommentierte die Ehefrau eine Begegnung im Schwimmbad. „Ich fand das gruselig“, sagte die Freundin. Außerdem charakterisierten sie den 46-Jährigen als in sich gekehrt, nicht am geselligen Leben teilnehmend, rechthaberisch und ohne soziale Kontakte. Dem trat Anwalt Bense entschieden entgegen. „Hier wird ein Bild meines Mandanten gezeichnet, das nicht der Wirklichkeit entspricht“, erklärte er. Sein Mandant habe niemals seiner Frau nachgestellt, sei niemals auf sie zugegangen. Alle Begegnungen seien zufällig gewesen wie er mit Einzelheiten belegte. Sein Mandant sei zudem seit 1978 Mitglied eines Musikvereins gewesen und habe im Verein Fußball gespielt. Er sei also keinesfalls ein Einzelgänger gewesen.
Zur Sprache kam gestern auch noch einmal die Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs, die der Angeklagte mit einem Tonband als Beweis 2015 bei der Polizei machte. Wie die zuständige Polizeibeamtin erklärte, habe er damals seinen Schwiegervater der Vergewaltigung an seiner eigenen Tochter bezichtigt. Er habe von konkreten Vorfällen aus der Vergangenheit berichtet, die seinen Verdacht nahelegen würden. Zusätzlich habe er angegeben, sein Schwiegervater habe etwas mit dem bislang ungeklärten Mord an Frauke Eckert im Jahre 1971 zu tun. Das Messer seines Schwiegervater würde genauso aussehen, wie die damals sichergestellte Tatwaffe. Auf die Frage warum er erst jetzt damit komme, habe er geantwortet, seine Versuche, dass seine Frau sich öffnet, seien ohne Erfolg gewesen. Er sei die ganze Zeit belogen worden. Jetzt sei Schluss, seine Frau liebe jetzt einen anderen.
Letzteres hat keine Zeugin gestern bestätigt. Lediglich über ein „Techtelmechtel“an der Fasent 2015 berichtete eine Freundin. Daraus sei aber nichts weiter geworden. Die Verteidigung stellte auch diesen Umstand infrage, ohne jedoch konkrete Gegenbehauptungen zu machen. Allerdings stellte Anwalt Hans Bense in Aussicht, Zeugen zu diesem Thema benennen zu wollen.