Druck auf dem Kessel
Die dicke Luft in Stuttgart vergiftet die Atmosphäre längst über die Landeshauptstadt hinaus. Weil sich im Talkessel die Schadstoffprobleme konzentrieren, wird am Beispiel Stuttgarts die Debatte um ein bundes-, ja EU-weites Phänomen geführt. Dabei gibt es mehrere Fronten: Hier die Automobilindustrie, deren Image nach dem Abgas-Skandal beschädigt ist. Die aber weiterhin mächtig, weil wichtig, bleibt. Dort die Politik, die zum Schutz der Bürger Schadstoffe begrenzen muss – und die von Gerichten dazu gezwungen wird.
Außerdem stehen sich in BadenWürttemberg mit CDU und Grünen ausgerechnet jene gegenüber, die sehr unterschiedliche Lösungsansätze haben. Während die CDU gerne mehr Straßen um Stuttgart herum sähe, würden die Grünen gerne weniger Autos auf den Straßen haben. Und dann ist da noch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der seinen Länderkollegen das Leben mit abwartender, ja lascher Haltung gegenüber den Autokonzernen schwer macht.
Die Konsequenz der schwierigen Lage: Gerichte müssen die Politik zum Handeln zwingen. Immerhin hat sich eine Front geschlossen. Die CDU hat Fahrverboten zugestimmt für jene Tage, in denen ab 2018 Feinstaubalarm in Stuttgart gilt. Die Reaktion der Industrie gibt Grün-Schwarz recht. Ohne die Drohung hätte sich nicht viel bewegt bei der Frage, wie man Diesel nachrüsten kann.
Die öffentlichen Scharmützel zwischen den Regierungspartnern kann man getrost unter Kanonendonner fürs eigene Klientel abtun. Die CDU muss klarmachen, dass sie keineswegs zur Verbotspartei vergrünt ist. Die Grünen lassen ihren Verkehrsminister Winfried Hermann poltern, um Autoindustrie und CDU basiswirksam zu geißeln. Das Schadstoffproblem ist nur mit vielen abgestimmten Maßnahmen zu lösen. Sollte das ausgerechnet einer Regierung aus Grünen und Schwarzen gelingen, würde das beweisen: Eine Zweckehe zwingt zum Kompromiss, der allen Seiten dient. Verliebte Partner blicken dagegen oft nur auf die ideologisch Nächsten.