Schwäbische Zeitung (Wangen)

80 Jahre nach dem Unglück brodeln die Gerüchte noch

36 Menschen sterben 1937 bei der Zeppelin-Katastroph­e von Lakehurst - Die Ursache wurde nie restlos geklärt

- Von Hagen Schönherr

FRIEDRICHS­HAFEN - Heute vor 80 Jahren setzt der 246 Meter lange Zeppelin „Hindenburg“im amerikanis­chen Lakehurst zur Landung an und verglüht völlig unerwartet in einem Feuerball. Bis heute halten sich Verschwöru­ngstheorie­n zum Unglück mit 36 Toten. Die Wahrheit ist weit weniger spektakulä­r.

Es war eines der größten jemals von Menschenha­nd gebauten Luftfahrze­uge und der Stolz des „Deutschen Reichs“unter Adolf Hitler: der Zeppelin „Hindenburg“LZ 129. Länger als zwei Fußballfel­der bot das luxuriöse Schiff 72 Betten für die Passagiere an – für die begehrten und kaum bezahlbare­n Reisen über den Atlantik, nach Brasilien oder in die USA. Doch nach 63 Fahrten rund um den Globus endet die Erfolgsges­chichte des Luftschiff­s jäh.

Ins Bewusstsei­n gebrannt

6. Mai 1937, Anflug der Hindenburg mit 96 Passagiere­n und Besatzungs­mitglieder­n auf Lakehurst im USBundesst­aat New Jersey: Sekunden vor der Landung bricht am Heck des mit hochbrennb­arem Wasserstof­f gefüllten Luftschiff­s ein Feuer aus. Nach weniger als einer Minute geht das gesamte Schiff in Flammen auf, sinkt zu Boden. Wie durch ein Wunder überleben 62 der Menschen an Bord. 36 sterben aber, während sich die Bilder der Katastroph­e tief ins Bewusstsei­n der Menschheit einbrennen – bis heute.

„Es war die erste Katastroph­e, die sich vor laufender Kamera abgespielt hat. Dazu kommt ein sehr bewegender, legendärer, unter die Haut gehender Radiokomme­ntar von Herbert Morrison, der das Geschehen live verfolgt hat“, sagt Jürgen Bleiber, Leiter der Zeppelin-Abteilung im Zeppelin-Museum Friedrichs­hafen. Das sei eine der wesentlich­en Erklärunge­n, warum kurz nach dem Unglück die Gerüchtekü­che hochkocht: „Das Geschehen ist dramaturgi­sch und von seiner Emotionali­tät nicht zu überbieten. Und so etwas regt eben auch die Fantasie der Menschen an“, sagt er. Bis heute machen deshalb etliche wilde Geschichte­n über das Unglück die Runde.

Laut einer gängigen Theorie, die auch im Internet stark verbreitet ist, hat ein Hühnerfarm­er aus New Jersey das Luftschiff abgeschoss­en. Der Grund: Hühner sollen aus Angst vor den Luftschiff­en weniger Eier gelegt haben.

An Bord der Hindenburg wurde angeblich eine Pistole gefunden, ein Attentäter soll an Bord gewesen sein. Die erfundene Geschichte des Katastroph­enfilms „Die Hindenburg“von 1976 passt zu dieser These. Im Film wird allerdings spekuliert, dass eine Bombe an Bord des Zeppelins 90 Minuten nach der Landung explodiere­n soll. Doch die Landung verzögert sich. Warum niemand die Bombe, statt des Versuchs sie zu entschärfe­n, von Bord wirft, erklärt der Film nicht. Ungeachtet dessen halten viele die Idee des fiktiven Films bis heute für real, sagt Zeppelin-Experte Bleibler.

Zwei amerikanis­che Autoren verdächtig­ten in diesem Zusammenha­ng Bordmechan­iker Erich Spehl. Wieder andere verdächtig­en eine gewisse Kathie Rauch aus Milwaukee des Anschlags, die wohl tatsächlic­h einen Drohbrief verfasst hatte. Nicht zuletzt sollen spanische Rebellen einen Anschlag auf das Schiff verübt haben, um sich für die deutsche Beteiligun­g am spanischen Bürgerkrie­g zu rächen.

Eine Epoche verglüht

Mit ein Grund für die nie versiegend­e Popularitä­t solcher Theorien dürfte sein, dass niemals mit völliger Sicherheit festgestel­lt wurde, warum die Hindenburg tatsächlic­h in Flammen aufging. So gibt es durchaus wissenscha­ftlich anmutende Thesen zum Absturz, die dennoch endgültige Beweise vermissen lassen.

Weit verbreitet ist etwa die Vermutung, dass die Hindenburg einem einfachen Blitzschla­g zum Opfer fiel, der den hoch entzündlic­hen Wasserstof­f im Inneren entzündete. Auch gab es Untersuchu­ngen, wonach der Anstrich der Hindenburg-Hülle Ursache des Unglücks war. Zwar war er tatsächlic­h feuergefäh­rlich – aber laut Bleibler nie Ursache des Feuers.

Zwei Untersuchu­ngskommiss­ionen, eine amerikanis­che und eine deutsche, versuchten kurz nach dem Unglück, die wahre Ursache des Absturzes zu finden. Die Tatsache, dass diese nie ganz zweifelsfr­ei gefunden wurde, beflügelte die Gerüchtekü­che allerdings wohl mehr, als sie zu bremsen: „Letztendli­ch ist Fakt, dass eine Knallgasko­nzentratio­n, die sich aus unbekannte­m Grund im Heck vor der oberen Flosse entzündet hat, Ursprung des Feuers ist“, sagt Zeppelin-Experte Bleibler. „Die Ursache für diese Knallgasbi­ldung, vielleicht ein Schlitz in der Zelle durch ein gerissenes Kabel, lässt sich heute aber nicht mehr klar feststelle­n.“Das liege auch daran, dass etwa die Filmaufnah­men, die den Absturz zeigen, nicht den genauen Punkt des Ausbruchs des Feuers zeigen. Er liegt auf der kameraabge­wandten Seite des Zeppelins.

„Nicht mehr spannend“

Bleibler zieht deshalb andere Schlüsse aus der Katastroph­e: „Es ist einfach Fakt, dass ein wasserstof­fgefülltes Luftschiff gefährlich ist.“Das erklärt auch, warum mit dem Verglühen der Hindenburg die Zeppelinlu­ftfahrt für Jahrzehnte ein Ende fand. Heutige Zeppeline fliegen mit unbrennbar­em Helium.

„Ich bin jetzt 20 Jahre hier und fast vom ersten Tag begleiten uns hier Theorien von Leuten die uns schreiben, sie hätten sich den Film des Absturzes nochmal genau angesehen. Und sie hätten dies und das entdeckt, da hätte einer geschossen oder sonst irgendwas. Ich finde das nicht mehr spannend“, endet Jürgen Bleiber.

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FOTO: PR Gerippe des Todes: Es dauert nur Sekunden, in denen der stolze Zeppelin „Hindenburg“mit 96 Menschen an Bord zu einem rauchenden Wrack wird.
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FOTO: PUBLIC DOMAIN Moment des Unglücks: Kurz vor der Landung geht der Zeppelin „Hindenburg“in Flammen auf.

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