Die neue Generation der Imame
Mehmet Bas studiert Islamische Theologie und sieht sich als Vermittler der Kulturen
RAVENSBURG - Wie bei vielen muslimischen Kindern waren es auch bei Mehmet Bas sein Vater und sein Großvater, die ihm den Islam nahegebracht haben. Sie erklärten ihm, dass es einen Gott gibt. Sie erzählten ihm prophetische Geschichte von Moses, Jesus und Mohammed. Sie lehrten ihn die Glaubenspraxis, wie die Gebetsund Fastenregeln. Auch beim Türkisch-Islamischen Kulturverein Ditib in Ravensburg lernte Bas viel dazu.
Seine Verbindung zum Islam wuchs mit jedem Lebensjahr. Vor drei Jahren entschied sich der Weingartener dazu, seinen Glauben wissenschaftlich zu fundieren. Er wollte sein Wissen erweitern, kompetente Antworten geben, Beweise liefern. An der Uni Tübingen schrieb sich der junge Mann für ein Studium der Islamischen Theologie ein – der ersten deutschen Uni, die ein solches Studium im Angebot hatte (siehe Kasten). Bas’ Ziel: als Botschafter des Islam Aufklärungsarbeit leisten.
Alternative zur bisherigen Praxis
Derzeit ist der 24-jährige Mehmet Bas im sechsten Semester. In einem Jahr hat er seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche. Läuft alles nach seinen Vorstellungen, wird er ein MasterStudium anschließen und promovieren. „Ich würde gerne an der Uni bleiben und gleichzeitig in einer Moschee tätig sein“, erklärt Bas seine Pläne.
Ein deutscher Wissenschaftler und Imam – das ist eine Kombination, die es hierzulande bislang selten gibt. Denn die meisten Imame kommen aus der Türkei: Sie sprechen weder Deutsch, noch kennen sie die hiesigen Gepflogenheiten. Im Durchschnitt bleiben die türkischen Imame fünf Jahre in einer deutschen Moschee. Danach kehren sie zurück in ihr Heimatland und ein neuer Imam kommt. Das könnte sich durch die in Deutschland ausgebildeten Islam-Theologen ändern. Es ist eine neue Generation an Imamen, die hier heranwächst.
„Bisher gab es keine Alternative zu den Imamen aus der Türkei“, verteidigt Mehmet Bas die gängige Praxis. Doch er und seine Studienkollegen könnten diese Imame möglicherweise bald ersetzen – oder zumindest mit ihnen zusammenarbeiten. Vorausgesetzt, die muslimischen Verbände und Moscheen machen mit. Für die Arbeit in der Gemeinde wäre es von Vorteil, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes. „Ich bin in Deutschland geboren, habe türkische Wurzeln und spreche beide Sprachen“, so Mehmet Bas.
Erst vor Kurzem war Ditib-Imamen aus der Türkei vorgeworfen worden, im Auftrag der türkischen Regierung in Deutschland mutmaßliche Gegner von Präsident Erdogan auszuspionieren. Sie sollen angebliche Anhänger des islamischen Predigers Fetullah Gülen bespitzelt und gemeldet haben. Der Ditib-Verband steht immer wieder wegen seiner Nähe zur türkischen Regierung in der Kritik. Über Politik möchte der Weingartener Bas aber nicht so gerne sprechen. Er sieht sich lieber als „Bindeglied zwischen den Kulturen, zwischen Deutschland und dem Islam“.
Bas ist es ein Anliegen, die jungen Muslime zu erreichen. Dass er selbst erst 24 Jahre alt ist, sieht er als Plus. „Ich habe einen guten Draht zu den Jugendlichen“, meint Bas. Diese zollen ihm Respekt, sehen ihn als Vorbild an. „So kann ich Präventionsarbeit leisten“, beschreibt der angehende Theologe, „und kann Gewalt, Islamismus oder Kriminalität vorbeugen.“
Muslime suchen Rat
Doch sind es nicht nur die jungen Mitglieder der Ditib-Gemeinde in Ravensburg, die Bas’ Rat suchen. Auch die alten kommen mit ihren Anliegen zu ihm. Dabei geht es ebenso um religiöse wie persönliche Fragen. „Obwohl ich noch Student bin, erweisen sie mir dieselbe Ehre wie einem Imam“, schildert Bas gleichzeitig erfreut und demütig. Er stellt fest, dass sich die türkische Gemeinschaft nach dynamischen Menschen sehnt. „Natürlich gibt es die Tradition, aber auch Neues ist gefragt“, meint er.
Die jetzigen Imame stehen der Entwicklung laut Mehmet Bas größtenteils positiv gegenüber. Sie würden die Theologie-Studenten willkommen heißen und ihnen das Vorbeten oder Predigen überlassen. „Wir sind ihre Statthalter der Zukunft“, sagt der 24-Jährige.