Auf Anhieb Chef
Sandro Wagner überzeugt mit klugen Aussagen und drei Toren beim 7:0 gegen San Marino
NÜRNBERG (SID/dpa) - Sandro Wagner tippte sich auf die Brust und wimmelte den Bittsteller aus San Marino mit einem energischen Kopfschütteln ab. Nein, dieses verschwitzte, rasenfleckige Trikot mit der Nummer 9 würde er an seinem größten Abend ganz gewiss nicht hergeben. „Es gibt eine lange Warteliste“, sagte Wagner nach seinen drei Toren im zweiten Länderspiel für die deutsche Nationalmannschaft lachend, „ich weiß noch nicht, wer es bekommt.“Der Spätberufene sah seine Trophäe aber auch als Ansporn: „Wenn ich in Hoffenheim nächste Saison gar kein Tor mehr mache, nominiert mich nicht mal mehr San Marino.“
Dann ergänzte der Stürmer,, dessen Selbstvertrauen bekanntlich mindestens von Hoffenheim nach San Marino reicht: „Es war immer mein Ziel, für die Nationalmannschaft zu spielen“, sagte Wagner, „jetzt habe ich noch ein paar Tore gemacht. Es war ein schöner Abend, aber ich kann das schon einschätzen, es war jetzt nicht gegen England oder Italien.“
Doch der 29-Jährige hat bei den Weltmeistern Eindruck hinterlassen – und das beileibe nicht nur wegen seiner Tore. Wagner mutierte auf Anhieb zu einer Art Chef. Wie er sich inmitten medial gebügelter Jungprofis ohne plumpe Großmäuligkeit als Lautsprecher positioniert, wie sanft er in der deutsch-dänischen Schule von Kopenhagen mit den Kindern umging, wie er sich für seinen in Nürnberg ausgepfiffenen Kollegen und Konkurrenten Timo Werner einsetzte („Eine Unverschämtheit!“), hatte Klasse.
Erst am Morgen seines DreierpackTages wurde erneut ein bemerkenswertes Interview von ihm veröffentlicht. Unter anderem sagte er der „FAZ“, bei den Fußballfans sei „der Niveauverfall verrückt“. Besonders Ultragruppen missbrauchten den Sport: „Man darf diesen Chaoten keine Plattform geben. Ansonsten machen sie uns den Fußball kaputt.“Das war ein typischer Wagner – klar und gerade, trotz Warnungen seitens des Deutschen Fußball-Bundes, dass die Aussagen Wellen schlagen würden.
Die direkte Art schätzt auch der Bundestrainer. „Er ist ein Spieler mit einer gewissen Reife. Eine Persönlichkeit, die eine Meinung hat und auch zu dieser steht“, sagte Joachim Löw, „zudem hat er auf dem Platz Wucht und Dynamik. Er war vorne im Zentrum gerade auch bei hohen Bällen sehr präsent mit seiner körperlichen Kraft. Mit seinem Einsatz war er bei Flanken sehr erfolgreich. Er ist nicht einfach zu verteidigen.“
Von San Marino verständlicherweise schon gar nicht. Sandro Wagner war am Samstagabend einen Kopf größer als jeder Gegenspieler, sein Trikot hätte den Abwehrspielern des Zwergstaates ohnehin nicht gepasst. Das kam Wagner besonders beim ersten Tor (16.) zugute, einer „Riesenerleichterung“, einem „Traum“, für den er dem Vorbereiter Joshua Kimmich, der gleich vier Treffer einleitete, stürmisch dankte: „Der Kimmich ist unglaublich. Robert Lewandowski kann sich freuen, wenn Jo nächste Saison bei den Bayern spielt. Bei den Flanken macht er gleich noch mal zehn Tore mehr. Hundertprozentig.“
Löw: Stürmerrennen ist offen
Zwei weitere Tore (29./85.) ließ Wagner noch folgen. Bescheiden ordnete er sich anschließend in der DFB-Hierarchie hinter Mario Gomez ein, der bis 2018 beim VfL Wolfsburg bleiben wird. Auch weil er sich dort bestens für die WM vorbereiten könne, wie der 31-Jährige sagte. „Der hat ’ne tolle Vita in der Nationalmannschaft“, erklärte Wagner respektvoll, der sich in der Vergangenheit nicht nur ein Mal als besten deutschen Stürmer bezeichnet hatte. Nun klang er anders. Nicht die anderen, er selbst sei stets sein größter Konkurrent, fügte der Mann von der TSG Hoffenheim an. Löw allerdings ließ Wagner hoffen: „Stürmer Nummer 1 – da will ich mich nicht festlegen. Sandro hat in dieser Woche einen großen Schritt nach vorn gemacht.“
Der nächste Schritt soll beim Confed Cup getan werden. Vom Gastgeberland Russland weiß Sandro Wagner allerdings noch nicht viel. „Vom DFB gab es so einen Infozettel“, sagte er, „den werde ich mir dann wohl mal durchlesen.“
Der Weg zur Mini-WM: Am Samstag startet der Confed Cup in Russland (17. Juni bis 2. Juli) mit dem Löw-Team. Für die Deutschen geht es in der Gruppe B erst am nächsten Montag los: Nach dem Auftakt gegen Australien warten am 19. Juni die starken Chilenen (22. Juni) und Kamerun (25. Juni). In Frankfurt kommt die Mannschaft am Dienstagabend wieder zusammen, am Donnerstag kommt sie in Sotschi an.