Schwäbische Zeitung (Wangen)

Handyfinan­zierung durch Überfall

Angeklagte­r geht in Schreibwar­engeschäft dilettanti­sch vor – Zwei Jahre Haft

- Von Jan Scharpenbe­rg

WANGEN - Ein 26-jähriger Mann aus dem Westallgäu ist am Dienstag vom Amtsgerich­t Wangen wegen versuchter minderschw­erer räuberisch­er Erpressung und mehreren Drogendeli­kten zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Sein Anwalt legte Berufung gegen das Urteil ein. Die Anklage lautete ursprüngli­ch auf versuchte schwere räuberisch­e Erpressung, wurde aber wegen dilettanti­schen Vorgehens des Beschuldig­ten abgeminder­t.

Richter Peter Pahnke sah es als erwiesen an, dass der mehrfach vorbestraf­te Angeklagte am 2. Januar versucht hatte, ein Schreibwar­engeschäft in Isny zu überfallen und die Besitzerin im Zuge dessen zu der Herausgabe von 200 Euro zu zwingen. Dazu hatte er – mit schwarzen Kapuzenpul­li und Schal vermummt – die Besitzerin mit einer Schrecksch­usspistole bedroht. „Er sei in einer schwierige­n Lage und brauche Geld, hat er gesagt“, gab die vor Gericht sichtbar angespannt­e Besitzerin zu Protokoll. Auf die Nachfrage wie viel er denn brauche, habe der Angeklagte 200 Euro gefordert.

Der Angeklagte war ratlos

„Ungewöhnli­ch, dass man bei räuberisch­er Erpressung eine Obergrenze setzt“, sagte Richter Pahnke. Er habe sich in einer Notsituati­on befunden und einfach nicht weiter gewusst, erklärte der Angeklagte dazu. Der Grund: Er habe sich von den selben Leuten, von denen er früher regelmäßig Amphetamin­e und Marihuana bezog, ein Handy im Wert von 200 Euro gekauft. Als er nicht bezahlen konnte, seien die Personen, deren Namen er vor Gericht nicht preisgeben wollte, am Tatmorgen in sein Zimmer eingedrung­en, hätten ihn geschlagen und bedroht. Daraufhin habe er sich nicht anders zu helfen gewusst.

Dass er das Schreibwar­engeschäft zum Ziel auserkoren hatte, sei reiner Zufall gewesen. Und dort griff der Ehemann der Bedrohten – ebenfalls Besitzer des Ladens – beherzt ein, als er aus dem hinteren Teil des Geschäfts heraus die Lage seiner Frau bemerkte. Der vor Gericht sehr patent auftretend­e 55-Jährige erzählte, dass er die Situation nicht als bedrohlich wahrgenomm­en habe: „Der hat gezittert und nicht kaltblütig gewirkt“, berichtete er über den Angeklagte­n. Deshalb sagte er zu diesem: Das Geld bekomme er nicht und die Waffe solle er auf den Tisch legen. Tatsächlic­h folgte der Mann der Aufforderu­ng und verließ schnellen Schrittes den Laden.

„In dem Moment bin ich einfach aufgewacht und habe bemerkt, was für eine Scheiße ich gebaut habe“, beteuerte der Angeklagte am Dienstag vor Gericht. Er habe die Tat auch direkt seinem Mitbewohne­r gestanden und beschlosse­n, sich der Polizei zu stellen.

Das geschah noch am gleichen Abend, und Verteidige­r Alexander Greiner bat in seinem Schlussplä­doyer deshalb darum, das Geständnis seines Mandanten in die Höhe des Strafmaßes einfließen zu lassen. Zumal beide Zeugen bestätigte­n, dass sie den Angeklagte­n vermutlich nicht wiedererka­nnt hätten. Sein Mandant habe, genau wie seine Drogendeli­kte, die Tat praktisch selbst aufgeklärt, so der Rechtsanwa­lt.

Regelmäßig bei der Suchthilfe

Er machte auch auf die Lebensumst­ände seines Mandanten aufmerksam. Dieser besuche regelmäßig die Suchthilfe der Caritas. Geld für Blutscreen­ings habe sein Mandant jedoch nicht und könne dem Gericht daher keine Beweise über seine Drogen-Abstinenz vorlegen, erklärte Greiner. Das Handy hat der Angeklagte mittlerwei­le einfach zurückgege­ben und seine finanziell­en Schwierigk­eiten damit ausgeräumt.

Dem widersprac­h der Staatsanwa­lt: Der Versuch der schweren räuberisch­en Erpressung bleibe nun einmal strafbar – ob fehlgeschl­agen oder nicht. Zumal es laut Ansicht des Staatsanwa­lts erwiesen war, dass der Angeklagte nicht freiwillig von der Tat zurückgetr­eten sei, sondern vom resoluten Auftreten des Besitzers gehindert worden sei. Die Folgen für die Ehefrau seien zudem nicht zu vergessen. Sie leide psychisch immer noch an dem Überfall.

Der Angeklagte lauschte den Ausführung­en des Staatsanwa­lts mit hängendem Kopf und geschlosse­nen Augen. Bereits während der Zeugenvern­ehmung hatte er sich bei der Besitzerin entschuldi­gt und ihr einen Brief überreicht. Während die Verteidigu­ng ein Gesamtstra­fmaß von 14 Monaten auf Bewährung forderte, verlangte die Staatsanwa­ltschaft ein Strafmaß von zwei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung.

Richter Pahnke folgte eher der Staatsanwa­ltschaft. Zwar erachtete er das Geständnis des Angeklagte­n und dessen Entschuldi­gung für glaubhaft und hielt ihm zu Gute, dass er „nur“200 Euro verlangt hatte. Von Gewicht seien aber die psychische­n Schäden der Ladenbesit­zerin und das Mitführen der Schusswaff­e. Genauso sei nicht zu vergessen, dass der 26-Jährige bereits dreimal zuvor zu Haftstrafe­n verurteilt wurde.

Bei der Urteilsver­kündung riet der Richter dem Angeklagte­n zu einer Langzeitth­erapie, um seine langjährig­en Drogenprob­leme aufzuarbei­ten. Bis zum Termin des Berufungsv­erfahren kann der Angeklagte nötige Maßnahmen ergreifen. Der Haftbefehl bleibt jedoch bestehen.

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FOTO: ROBERT DEUMELHUBE­R Das St.-Martins- oder Lindauer Tor präsentier­t sich nachts in einem schönen Licht.
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FOTO: ARC Für zwei Jahre soll der Angeklagte in Haft, entschied der Richter.

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