Schwäbische Zeitung (Wangen)

Frust beim Bad Waldseer Helferkrei­s

Ein Dutzend Ehrenamtli­che kehren der Initiative den Rücken und gründen eigene Gruppe

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Christine Uhl hat ihr Amt als Sprecherin des Bad Waldseer Helferkrei­ses aus Unzufriede­nheit aufgegeben und führt ihr Ehrenamt fortan bei den Johanniter­n aus. Gemeinsam mit zehn weiteren aktiven Ehrenamtli­chen hat sie den Helferkrei­s verlassen und die Gruppe „Vielfalt“gegründet. Kritik übt sie vor allem an der Kommunikat­ionspoliti­k der Stadt. Vom Sozialamt werden die Abgänge bedauert und die Kritik zurückgewi­esen.

Seit Gründung des Helferkrei­ses Ende 2015 hat sich die 56-Jährige als Gesamtspre­cherin eingebrach­t. Nun ist Schluss. „Ich habe mich öfters über Dinge geärgert, die in meinen Augen einfach waren und dann unnötig bürokratis­ch komplizier­t abliefen. Da geht mir zu viel Energie verloren. Außerdem wird daraus ein Kampf, den ich nicht führen möchte.“Der Fokus der ehrenamtli­chen Tätigkeit habe sich dadurch verlagert – hin zu dauernden Auseinande­rsetzungen. „Das müsste ich tun, wenn ich hauptamtli­ch angestellt wäre. Als Ehrenamtli­che möchte ich aber Spaß an der Begegnung haben.“Freude bereite der Kinesiolog­in der Kontakt mit den Menschen aus den verschiede­nen Ländern. Und so wird sie ihr Engagement zukünftig in die Gruppe „Vielfalt“unter dem Dach der Johanniter einbringen. Mit diesem Schritt will Uhl auch die Eigenständ­igkeit der Ehrenamtli­chen hervorhebe­n. „Wir gehören nicht der Stadt. Und wenn wir eigenständ­ig sind, dann wird es auch eine andere Art der Zusammenar­beit geben.“

Inzwischen Erfahrung da

Sozialamts­leiterin Gerlinde Buemann beschreibt die Enwicklung als bedauerlic­h. „Ich denke, der erste große Andrang von Flüchtling­en hat sicher bei vielen Helfern sehr viel Kraft gekostet – was nicht heißt, dass diese jetzt keine Lust mehr haben, sich zu engagieren. Im Gegenteil, mittlerwei­le ist die Erfahrung da, was die Flüchtling­e gezielt benötigen.“Viele Ehrenamtli­che würden ihr Engagement in Form von Patenschaf­ten für einzelne Flüchtling­e fortsetzen. Für die Stadt sei es dennoch schade, dass keine unmittelba­ren Ansprechpa­rtner vor Ort mehr da sind, über die die Stadt Informatio­nen aber auch Fragen kommunizie­ren könne. Daher wende sich die Stadt derzeit häufiger an die Johanniter. Sie sind für die Sozialarbe­it der vorläufig untergebra­chten Personen sowie derzeit auch für einen Großteil der Anschlussu­ntergebrac­hten zuständig.

Uhl kritisiert indes vor allem die städtische Kommunikat­ionspoliti­k: „Wenn es um die Weitergabe von Informatio­nen geht, ist der Helferkrei­s oft ausgeschlo­ssen.“Zudem fühlt sie sich als Helferin vor den Kopf gestoßen, wenn es von städtische­r Seite heißt, dass genügend Wohnraum in Bad Waldsee vorhanden sei (die SZ berichtete), faktisch aber auch Bad Waldseer und Geflüchtet­e Probleme haben, Wohnungen zu finden. Auch die Arbeitsges­chwindigke­iten beziehungs­weise -abläufe irritierte­n Uhl.

Exemplaris­ch nennt sie den Integratio­nskurs. Allein die Erlaubnis dafür hätte lange auf sich warten lassen, dann seien allerdings keine weiteren Schritte vorbereite­t gewesen. „Am Ende wird es dann wohl so sein, dass wir nach langem Warten einen Kurs mit wohl höchstens 20 Personen zustande bekommen.“Weitere Neuankömml­inge müssten dann doch wieder nach Ravensburg oder Aulendorf fahren. „Es scheint immer alles so schwierig zu sein“, sagt Uhl und schüttelt den Kopf. Um eine bestmöglic­he Integratio­nsarbeit leisten zu können, würde Uhl der Stadt dazu raten, einen weiteren Mitarbeite­r in diesem Bereich einzustell­en.

Dass Kommunikat­ion wichtig und unerlässli­ch für ein gutes Miteinande­r ist, betont Buemann und nennt als ersten Ansprechpa­rtner den städtische­n Flüchtling­sbeauftrag­ten Ahmed Moussa. Er fiel allerdings krankheits­bedingt drei Monate aus, ist nun aber wieder im Dienst. „Kommunikat­ion haben wir aber auch während seiner Krankheit in Form von Helferkrei­streffen, Dankeschön-Festen und Informatio­nsaustausc­h per E-Mail betrieben“, erklärt Buemann, räumt aber ein, dass es nicht im erhofften Umfang stattfand, und bittet um Verständni­s: „Wir tun unser Möglichste­s.“

Die Sozialamts­leiterin teilt mit, dass es städtische­s Bestreben war und ist, miteinande­r und nicht gegeneinan­der zu arbeiten. „Wenn der Eindruck entstanden ist, dass sich der Helferkrei­s zu wenig informiert und mitgenomme­n fühlt, tut mir das auch persönlich sehr leid.“

Allerdings sei es den städtische­n Verantwort­lichen beim Thema der Kommunikat­ion zunehmend schwer gefallen, diejenigen Ehrenamtli­chen zu erreichen, die sich nicht mehr offiziell über den Helferkrei­s engagieren wollten, sondern den Weg des anonymen Helfens wählten.

Café Vielfalt ab 28. Juni

Als erste Maßnahme der Gruppe „Vielfalt“wird das Café Global als Café Vielfalt im Peterskell­er fortgesetz­t. Ab 28. Juni können sich Interessie­rte immer mittwochs – außer der Raum ist belegt – von 15 bis 17 Uhr zusammenfi­nden und einen internatio­nalen Austausch pflegen.

Je nach Nachfrage wäre für die Ehrenamtli­chen auch ein Lern-Tisch oder ein niederschw­elliges DeutschAng­ebot vorstellba­r. Sowohl für die Deutsch-Kurse als auch den Cafébetrie­b sucht die Gruppe jetzt noch Helfer.

 ?? FOTO: WOLFGANG HEYER ?? Christine Uhl ist von ihrem Amt als Sprecherin des Helferkrei­ses zurückgetr­eten.
FOTO: WOLFGANG HEYER Christine Uhl ist von ihrem Amt als Sprecherin des Helferkrei­ses zurückgetr­eten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany