Aus für Apothekenautomat
Landgericht versagt DocMorris Betrieb in Hüffenhardt
STUTTGART - Es ist ein Etappensieg für die niedergelassenen Apotheker: Der erste und einzige Apothekenautomat in Deutschland darf ab sofort nicht mehr betrieben werden. Das hat am Mittwoch das Landgericht Mosbach entschieden. Damit muss der niederländische Versandhändler DocMorris sein Videoterminal in der Gemeinde Hüffenhardt (NeckarOdenwald-Kreis) vorläufig stilllegen. Doch die Debatte geht weiter: Was ist in Deutschland im Bereich Online-Medikamentenhandel rechtlich möglich – und was sollte künftig möglich sein?
Auf diese Frage gaben die Richter der Handelskammer am Landgericht am Mittwoch nur eine vorläufige Antwort. Aus ihrer Sicht verstößt das Urteil gegen das Wettbewerbsrecht. Es wertete den Medikamentenautomaten als Teilbetrieb einer Apotheke, der wegen des Sitzes der Zentrale in den Niederlanden aber nicht wie vorgeschrieben kontrolliert werde.
Außerdem entspreche das Modell nicht den Vorschriften zur Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente. Diese durfte DocMorris aber ohnehin nicht mehr ausgeben. Das hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe bereits untersagt. Die Niederländer hatten argumentiert, der Automat sei lediglich ein Terminal zur Abwicklung eines Medikamentenversands. Für diesen gelten andere Regeln als für den Betrieb einer Apotheke.
Versorgung für ländlichen Raum
Der Landesapothekerverband (LAV) hatte gegen den Automaten geklagt. Seit April betreibt DocMorris das Gerät. Kunden können sich per Videoschalte mit einer Fachkraft verbinden lassen und Medikamente bestellen. Diese werden, so wie sie im Automaten vorrätig sind, direkt ausgegeben. Lotsinnen vor Ort erläutern den Umgang mit dem Apparat. Die Gemeinde hat Räume einer ehemaligen Apotheke im Dorf dafür zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte die Gemeindeverwaltung vergeblich versucht, einen Nachfolger für die Apotheke zu finden.
„Wir wünschen uns unabhängig von diesem Urteil, nicht nur, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen sich ändern, sondern, dass unsere Bürger vor Ort mit Medikamenten und Beratung versorgt werden“, sagt Daniela Maahs, stellvertretende Verwaltungschefin von Hüffenhardt, der „Schwäbischen Zeitung“. Wenn es für Pharmazeuten nicht mehr attraktiv sei, sich in kleinen Gemeinden niederzulassen, müssten eben Lösungen wie die von DocMorris her. „Wir hatten uns eine Rechtsprechung im Sinne der Einwohner Hüffenhardts erhofft. Das Urteil erschwert es, die Situation in ländlichen Regionen zu verbessern und die Chancen der Digitalisierung als Lösung zu begreifen“, so Olaf Heinrich, Vorstandsvorsitzender bei DocMorris.
Das Unternehmen will in die nächste Instanz ziehen. Denn der Fall dient den Niederländern als Muster. Sie wollen höchstrichterlich klären lassen, ob die Gesetze in Deutschland ihr Modell des Medikamentenhandels via Automat zulassen. Außerdem dürfte DocMorris die nun angestoßene Debatte recht sein. Viele Bürger, in deren Gemeinden längst keine Apotheke mehr ist, dürften durch den Fall Hüffenhardt erst merken, wie eng die Grenzen für Alternativlösungen in Deutschland sind. Zwar gibt es in rund 100 Gemeinden in Baden-Württemberg sogenannte Rezeptsammelkästen. Dort können Bürger ihre Verordnungen einwerfen, Apotheken aus der Umgebung sammeln diese ein und liefern die Arzneien nach Hause. Kritiker sehen aber bei der DocMorrisLösung den Vorteil, dass Kunden ihre Arzneien unmittelbar und mit Beratung bekommen können.
Streit geht weiter
LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth zeigte sich naturgemäß zufrieden mit dem Urteil: „Dass die Betreiber des Abgabeautomates in Hüffenhardt sich über alle Bestimmungen hinweggesetzt haben, greift stark in den Wettbewerb ein und hat all diejenigen benachteiligt, die sich an Recht und Gesetz halten.“Der Streit um den Automaten ist auch Gegenstand eines zweiten Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Dort klagt DocMorris gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums. Dieses hatte im Frühjahr verfügt, dass an dem Automaten keine rezeptpflichtigen Medikamente abgegeben werden dürfen. Wann mit einem Beschluss der Kammer zu rechnen ist, konnte eine Gerichtssprecherin am Mittwoch nicht sagen.
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) übt den Spagat zwischen zwei Notwendigkeiten. Zum einen hält sein Haus eine wohnortnahe Versorgung durch eine Apotheke für zwingend. Die persönliche Beratung, das individuelle Mischen von Rezepturen, die Betreuung chronischer Kranker – all das leisten aus Luchas Sicht Versandhändler nicht. Deswegen plädiert er für einen fairen Wettberwerb zwischen Niedergelassenen und Onlinehändlern. Andernfalls befürchtet er ein Apothekensterben. Deren Zahl sinkt seit Jahren, derzeit gibt es rund 2550 im Land. Vor zehn Jahren waren es 200 mehr.
Andererseits aber fördert Minister Lucha gerade im Bereich Telemedizin viele Pilotprojekte. Allein 2017 nimmt er dafür mehr als vier Millionen Euro in die Hand. Denn klar ist längst: Ohne die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, wird flächendeckende Gesundheitsversorgung teurer, als sie ohnehin schon ist.