Altes Schloss war nur „Zwischenlösung“
Das heutige Tettnanger Rathaus wurde vor 350 Jahren erbaut
TETTNANG – Das Rathaus zählt zu den historisch interessantesten Gebäuden der Stadt Tettnang. Es kann in diesem Jahr auf eine 350-jährige Geschichte zurückblicken. Vor seiner heutigen Bestimmung diente es zunächst als gräfliche Residenz, dann als Zehntscheuer, Hopfentrockenraum und Wohnung für Staatsbedienstete.
Im Dreißigjährigen Krieg wurden neben der Stadt auch die Burgen in Tettnang und Langenargen völlig zerstört. Graf Hugo von Montfort floh mit seiner Familie in die Schweiz. Nach seiner Rückkehr 1649 bezog er den Pfarrhof in Tettnang. Für ein neues repräsentatives Schloss an der Stelle der zerstörten Burg war kein Geld vorhanden. Erst 1667 ließ Hugos Sohn Johann X. das schlichte rechteckige „Alte Schloss“errichten, als vorübergehende Lösung, bis ein größeres Schloss gebaut war. Tatsächlich residierte die gräfliche Familie nur etwa 55 Jahre in dem Gebäude. Johanns ältester Sohn, der kunstsinnige und prachtliebende Anton III., empfand den bescheidenen Kastenbau als unangemessen für eines der vornehmsten Geschlechter Oberschwabens. 1712 begann er mit dem Bau des prächtigen Neuen Schlosses, dass um 1720 bezogen wurde.
Amtsräume des Revierförsters
In einem Zeitraum von fast 200 Jahren wurde das Alte Schloss zu verschiedenen Zwecken genutzt. Es diente zunächst als Zehntscheuer. Ab 1822 befanden sich Wohnung und Amtsräume des königlich württembergischen Revierförsters im Erdgeschoss. In den Obergeschossen wurde nach 1844 Hopfen getrocknet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bemühte sich die Stadt Tettnang um das Gebäude. Es gab Pläne für unterschiedliche Verwendung, unter anderem als Bezirkskrankenhaus.
Nachdem die Einwohnerzahl der Stadt um 1900 auf etwa 2500 gestiegen war, entsprach das alte Rathaus – das abgebrannte, ehemalige Sparkassengebäude – nicht mehr den Ansprüchen an eine zeitgemäße Verwaltung. 1901 wurde ein Kaufvertrag zwischen der Stadt und der königlichen Administration abgeschlossen. Der Kaufpreis von 35 000 Mark war dazu bestimmt, das Forstamtshaus mit Dienstwohnung und Nebengebäude am Schlosspark zu erstellen.
Mit einem Aufwand von 95 477 Mark folgte der Umbau des Alten Schlosses zum Rathaus. Dabei entstand eine geräumige Vorhalle mit hellem Treppenhaus, im Obergeschoss wurden mehrere Wände eingezogen und der Sitzungssaal im spätgotischen Stil eingerichtet. Im Außenbereich zählten die Freitreppe und der gestaffelter Dachgiebel mit Uhr zu den wichtigsten Änderungen. Am 20. März 1905 folgte die feierliche Einweihung des neuen Rathauses.
Die erste große Außensanierung fand 1955 statt. 1986 wurde das zweite Obergeschoss zur Nutzung für die Bauverwaltung ausgebaut. 1988 erhielt die Frontseite beiderseits des Portals langgezogene, barrierefreie Rampen, und 2004 erfolgte ein Umbau im Untergeschoss, um den heutigen Anforderungen an ein Rathaus gerecht zu werden mit selbstöffnender Glasschiebetür, einer Empfangstheke und einem Bürgerbüro. Das Haus, in dem einst der Adel residierte, steht somit heute ganz im Dienste der Bürger dieser Stadt Tettnang.