„Meile“geht heuer auch in die Vertikale
Bei der 41. Auflage in Memmingen gibt es manche unkonventionelle Bühne zu entdecken
MEMMINGEN - Am Anfang steht die Stadt – mit ihren Straßen, Plätzen und Gebäuden. „Sie ist der Ausgangspunkt für unsere Überlegungen. Das unterscheidet die Memminger Meile von anderen Festivals“, sagt Kulturamtsleiter Dr. Hans-Wolfgang Bayer. Und wie die „Meile“immer wieder Neues auftut, die Brechung zum ganzjährigen, klassischen Kulturbetrieb suchen soll, so sind ihre Macher jedes Mal auf der Suche nach ebensolchen Bühnen, „nach unentdeckten oder vergessenen Orten“: Eine „nicht ganz einfache Aufgabe“, sagen Bayer und Meile-Mitarbeiterin Julia Mayer.
Umso mehr, weil einige interessante Memminger Ecken und Bauten bereits zu Kulturschauplätzen wurden: Bayer nennt etwa die Buzil-Halle in der Augsburger Straße oder das Gewölbe, in dem heute das Kreuzherrncafé zu finden ist. Selbst eine Baustelle mutierte zur Bühne: „Das war dort, wo jetzt das Kleidungsgeschäft C&A ist. Den Arbeitern wurde gesagt, dass sie um 14 Uhr aufhören müssen. Danach haben wir mit dem Aufbau angefangen.“
Wortkunst im „Rex-Palast“
Dieses Mal stießen der Kulturamtsleiter und Mayer bei ihrer Suche nach Objekten, „die schlummern“, auf einen Ort, dessen Bühne für einen Abend zu neuem Leben erwacht: Die 41. Auflage der „Meile“mit einem Mix aus Musik, Comedy, Zauberei und Ausstellung (siehe Infokasten) macht mit dem „Poetry Slam“am 30. Juni Station im ehemaligen Kino „Rex-Palast“. Wortkunst in aktueller Form trifft hier auf einen Raum, der eine frühere Ära des Films heraufbeschwört: „Es gibt noch eine Vorbühne vor der Leinwand. Damals war der Gedanke, dass es nach der Vorführung zum Beispiel Gespräche mit dem Regisseur geben könnte – es ist ein bisschen wie aus der Zeit gefallen“, schwärmt Bayer.
Die „Atmosphäre auf sich wirken lassen“: Das ist laut Mayer – wie das Einverständnis des Besitzers – ein wichtiger Schritt bei den Überlegungen, für welche Art von Aufführung sich ein Raum eignet. Dazu kommen ganz praktische Aspekte. Beim Ökonomiegebäude der Hüetlin & Roeck Mühle, das bei den Meile-Machern etwa mit seinem barocken Walmdach und frühindustrieller Anmutung punktete, war klar: „Da kriegen wir keinen Flügel rein.“Stattdessen bekommt das Gemäuer am 4. Juli Besuch der alten Dame, die voll auf der Höhe des medialen Zeitalters ist. Seit 2013 sorgt Oma Renate Bergmann, eine Figur von Autor Torsten Rohde, in der Welt von Twitter für Furore. Verkörpert von der Schauspielerin Anke Siefken bringt sie ihre An-und Einsichten zu Gehör – auch über ihre unkonventionelle Umgebung, da ist sich Bayer sicher: „Wir werden nicht ungeschoren davonkommen.“
Selbst davor, „die Wände hochzugehen“, macht die „Meile“nicht Halt: Am Hallhof erlebt das Publikum am 6. Juli beim „Vertikaltheater“, wie zwei Akrobaten aus Sardinien am Kreuzherrnturm abgeseilt werden und in einer projizierten Comic-Szenerie über Wolkenkratzer springen und den Globus umrunden.
Die Plätze der Innenstadt als Ensemble bespielt das Pflasterspektakel (24. Juni). Der Däne Finn Jagd Andersen erobert beispielsweise den Theaterhof mit „Zirkus Gonzo“und geht ebenfalls in die Vertikale: „Für die Ein-Mann-Show wird ein Trapez aufgestellt“, sagt Bayer. Der hohe Anteil von Angeboten wie diesem, die umsonst und draußen stattfinden, ist für ihn wichtiges Merkmal der „Meile“als „Sommerfestival“.
In ein öffentliches Wohnzimmer oder anarchisches Gesamtkunstwerk verwandelt sich am 29. Juni die „gute Stube der Stadt“. Beim OpenAir-Kino auf dem Marktplatz sollen Besucher nicht nur Sitzgelegenheiten mitbringen – die schönste Sitzecke wird auch prämiert, sagt Bayer und erwartet so einiges: „Vom Jägerhochsitz bis zur Badewanne war schon alles dabei.“