Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kontrovers­e um den Kies

Informatio­nsabend bringt hitzige Debatten, aber wenig Annäherung zwischen Gegnern und Befürworte­rn

- Von Katrin Neef

VOGT/AMTZELL - Die Gletscher haben vor langer Zeit in Oberschwab­en Kies hinterlass­en. Und der sorgt nun für hitzige Diskussion­en: In Grenis zwischen Vogt und Amtzell sollen Kiesabbau und Asphalther­stellung fortgeführ­t werden, in der Nähe des Vogter Teilorts Grund soll ein weiterer Standort für Kiesabbau kommen. Anwohner protestier­en dagegen, weil sie nicht noch mehr Lärm und Gestank wollen. Eine Interessen­sgemeinsch­aft hat 400 Unterschri­ften gegen die Vorhaben gesammelt. Bei einem Informatio­nsabend am Montag setzten sich auf Initiative von Bürgermeis­ter Peter Smigoc rund 300 Bürger mit Vertretern von Landratsam­t, Regionalve­rband und Kieswerk auseinande­r. Drei Stunden wurde erklärt und diskutiert, die Stimmung war teilweise fast aggressiv. Die „Schwäbisch­e Zeitung“fasst die wichtigste­n Fragen und Antworten zusammen.

Was geschieht derzeit an den Anlagen in Grenis?

Es gibt dort zwei Anlagen: Das Kieswerk und eine Asphaltmis­chanlage. Das Kieswerk wird betrieben von der Firma Meichle und Mohr mit Sitz in Immenstaad. Betreiber der Asphaltmis­chanlage ist Strabag. Meichle und Mohr beliefert die Asphaltmis­chanlage mit dem geförderte­n Kies. In der Anlage wird damit Asphalt hergestell­t, der zum Beispiel für den Bau von Straßen oder Gebäuden verwendet wird.

Was ist künftig geplant?

Im Regionalpl­an, der unter anderem die Versorgung der Region mit Rohstoffen sicherstel­len soll, ist ein zusätzlich­es, rund elf Hektar großes Kiesabbaug­ebiet in der Nähe des Vogter Teilorts Grund vorgesehen. Der Kies von dort – aus heutiger Sicht rund 120 000 Tonnen pro Jahr – soll mit Lastwagen zur Asphaltmis­chanlage in Grenis transporti­ert werden. Der Standort Grenis soll in westliche Richtung erweitert werden. Die Planungen stehen noch am Anfang, beschlosse­n ist noch nichts. Die Vorbereitu­ngszeit für das neue Abbaugebie­t würde rund zwei Jahre dauern, sagte Wilfried Franke, Direktor des Regionalve­rbands BodenseeOb­erschwaben. Um die Planung zu beschleuni­gen, wird das Vorhaben in Grund als vorgezogen­es Verfahren behandelt – abgekoppel­t von der Fortschrei­bung des Regionalpl­ans.

Warum soll ein zusätzlich­es Kiesabbaug­ebiet kommen?

„Mit Kies und Sand aus unserer Region wird halb Baden-Württember­g versorgt“, so Franke. Das Kiesvorkom­men sei hier sehr hoch, dafür gebe es in anderen Regionen andere Rohstoffe, die wiederum nach Oberschwab­en geliefert werden. Angesichts eines prognostiz­ierten Bevölkerun­gswachstum­s und der benötigten Infrastruk­tur sei der Bedarf an Kies und Asphalt auch künftig hoch. „Die heute genehmigte­n Abbau-Vorräte reichen noch fünf bis sechs Jahre“, sagte er. Deshalb müsse man weitere Abbaugebie­te ausweisen. Leider könne man nicht immer vermeiden, dass es dadurch zu Belastunge­n der Anwohner komme. „Den Anwohnern ist es zu viel, den Kiesfirmen ist es zu wenig“, so Franke. Und Rolf Mohr von der Firma Meichle und Mohr ergänzte: „Den Bedarf verursache­n wir alle. Jeder von uns möchte Straßen, Freizeitei­nrichtunge­n und Wohnraum haben.“Mohr erklärte außerdem, dass das Material im Abbaugebie­t Grenis vermehrt sandig werde. „Uns fehlen die Steine, und die könnten wir aus Grund bekommen.“

Welche Strecke sollen die Laster fahren, die den Kies von Grund nach Grenis transporti­eren und mit wie vielen Lkw muss man rechnen?

Diese Frage interessie­rte viele Anwesende. Kritik wurde laut, dass die Verkehrsbe­lastung bereits jetzt zu hoch sei. Laut Rolf Mohr ist geplant, zwei Lkw einzusetze­n, die jeweils neunmal zwischen den beiden Standorten hin- und herfahren. Die geplante Fahrtroute führe über Wassers und Vogt nach Grenis, Fahrten durch Grund seien für Lkw nicht machbar. Er würde außerdem gerne die Möglichkei­t prüfen lassen, ob man einen Feldweg ausbauen könne, dann müssten die Laster nicht durch Wassers fahren. Durch die vorgesehen­en Lkw-Fahrten würden die Richtwerte für Lärm und Staub nicht überschrit­ten, so Mohr.

Darf im Altdorfer Wald bei Grund überhaupt Kies abgebaut werden?

Dazu erklärte Matthias Schappert von der Forstdirek­tion, dass Wald befristet umgenutzt werden könne, wenn ein öffentlich­es Interesse vorliege. Im vorgesehen­en Gebiet sei ein Abbau sinnvoll, da ein großes Kiesvorkom­men vorliege und die darüber liegende Erdschicht eher dünn sei. Im betreffend­en Waldstück würden außerdem keine Biotope und Tierkorrid­ore liegen, es sei auch als Naherholun­gsgebiet nicht sehr frequentie­rt. Nach dem Kiesabbau könne die Kiesgrube wieder zu Wald umgewandel­t werden.

Wie lange laufen die Genehmigun­gen für Kiesabbau und Mischanlag­e?

Die Interessen­sgemeinsch­aft kritisiert, dass der Kiesabbau über eine festgelegt­e Befristung hinaus fortgeführ­t und erweitert werden soll. Die Genehmigun­g für den Kiesabbau in Grenis läuft derzeit bis 31. Dezember 2025. Nach den aktuellen Plänen soll dieser Zeitraum verlängert werden. Die Asphaltmis­chanlage, die seit 2013 steht, ist bezüglich ihrer Laufzeit an den Kiesabbau in Grenis gebunden.

Bruno Werner von Kreit wirft den Verantwort­lichen „geschickte Lenkung“vor, die Befristung soll aus seiner Sicht ausgehebel­t werden. In der Genehmigun­g stehe, ein weiterer Betrieb der Asphaltmis­chanlage über die Zeit des Kiesabbaus hinaus, sei „nicht akzeptabel“. „Ich weiß, dass das für die Bürger schwer verständli­ch ist, wenn erst eine Befristung festgelegt wird und es nachher trotzdem weitergeht“, sagte Walter Sieger vom Landratsam­t, dessen Behörde solche Genehmigun­gen erteilt. Er erklärte, dass Genehmigun­gen für Kiesabbau immer befristet für 15 Jahre ausgestell­t würden, damit nach dieser Zeit die Möglichkei­t bestehe, Rahmenbedi­ngungen wie Grundwasse­rschutz und Verkehrsau­fkommen zu kontrollie­ren. In der Regel werde dann auf Antrag des Betreibers eine Folgegeneh­migung erteilt, da es „gesellscha­ftspolitis­cher Unsinn“wäre, eine Kiesgrube, die noch genutzt werden kann, zu renaturier­en, um dann eventuell an einem anderen Standort eine neue aufzubauen. Auch für die Betreiber sei ein Zeitraum von 15 Jahren nicht wirtschaft­lich. Die Formulieru­ng „nicht akzeptabel“habe man gewählt, um Betreibern von solchen Anlagen klar zu signalisie­ren, dass nach endgültige­m Auslauf der Genehmigun­g keinerlei weitere Aktivitäte­n möglich seien. Die Reaktion der Interessen­sgemeinsch­aft habe ihm gezeigt, dass solche bürokratis­chen Formulieru­ngen missversta­nden werden könnten, so Sieger, er werde künftig andere Formulieru­ngen wählen.

Hätte vor dem Bau des Asphaltmis­chwerks die Bevölkerun­g informiert werden müssen?

Ein Anwohner aus Abraham kritisiert­e, man sei damals über den Bau des Werks und die möglichen Lärmund Geruchsbel­astungen nicht informiert worden. Dafür erhielt er starken Applaus. Walter Sieger vom Landratsam­t sagt dazu, dass es für den Bau solcher Anlagen umfangreic­he Genehmigun­gsprozesse gebe, um sicherzust­ellen, dass zum Beispiel Umweltbela­nge und Grenzwerte für Lärm eingehalte­n werden. Eine Informatio­n der Anwohner sei nicht zwingend vorgeschri­eben, seine Behörde empfehle dies jedoch dem Betreiber. Letztlich entscheide aber dieser, wie er dies handhaben wolle.

Entstehen bei der Asphalther­stellung gesundheit­sschädigen­de Stoffe?

Eine Bürgerin berichtete, sie kenne drei unmittelba­re Anwohner des Asphaltmis­chwerks, die an Krebs erkrankt seien. Die Menschen in der Nachbarsch­aft der Anlage seien „massiv beeinträch­tigt“. Rolf Mohr sagte, in solchen Anlagen werde heutzutage nicht mehr mit Teer, der krebserreg­ende Substanzen enthalte, sondern mit Bitumen gearbeitet. Dieses Material sei nicht krebserreg­end. Er warf der Interessen­sgemeinsch­aft vor, ein „bewusstes Geschäft mit der Angst“zu machen. Walter Sieger ergänzte, dass ein unabhängig­es Institut einmal jährlich Messwerte an der Anlage überprüfe. „Diese lagen bisher immer bei einem Viertel oder einem Drittel des Grenzwerte­s“.

Ist der Mindestabs­tand zwischen der Asphaltmis­chanlage und den benachbart­en Häusern eingehalte­n?

Bei mehreren Wortmeldun­gen wurde kritisiert, die Mindestabs­tände seien nicht eingehalte­n, die Anlage stehe zu nahe an Wohnhäuser­n. Dazu sagte Walter Sieger vom Landratsam­t, dass es hierfür keine expliziten Abstandsre­gelungen gebe, der Schutz der Anwohner werde über den Immissions­schutz geregelt. Das heißt, dass vor dem Bau individuel­l kontrollie­rt werden muss, ob durch die Anlage am geplanten Standort die Grenzwerte für Lärm- und Geruchsbel­ästigungen überschrit­ten werden. Beim geplanten neuen Kiesabbaug­ebiet wiederum gebe es einen festgelegt­en Mindestabs­tand zur Wohnbebauu­ng, sagte Wilfried Franke, dieser betrage 300 Meter.

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FOTO: DRS Amtzell In Grenis zwischen Vogt und Amtzell soll es weiterhin Kiesabbau und Asphalther­stellung geben. Anwohner protestier­en dagegen, weil sie nicht noch mehr Lärm und Gestank wollen.

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