Schwäbische Zeitung (Wangen)

Deal mit Ökopunkten ein „Ablasshand­el“?

Rat diskutiert Beitritt zu Regionalem Kompensati­onspool – Ausgleich für Bauflächen außerhalb möglich

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Wer bauen will, muss Ausgleich für die Natur schaffen. Da es immer schwierige­r wird, dafür Flächen zu finden, arbeiten seit einigen Jahren 14 Kommunen, die Landkreise Ravensburg und Bodensee sowie der hiesige Regionalve­rband im „Regionalen Kompensati­onspool Bodensee-Oberschwab­en“(Reko) über ihre Gebietsgre­nzen hinweg zusammen. Jetzt wollen zahlreiche weitere Städte und Gemeinden der Region diesem als GmbH organisier­ten Verbund beitreten. Ob dies auch die Stadt Wangen tut, ist noch offen. Allerdings gab es in der jüngsten Gemeindera­tssitzung eine ausgiebige Diskussion dazu. In deren Mittelpunk­t stand die Frage: Ist der Handel mit Ökopunkten ein guter Deal oder nur ein Ablasshand­el?

Bauamtslei­terin Astrid Exo formuliert­e ein Kardinalpr­oblem der Weiterentw­icklung in Wangen: „Manche Verfahren stocken seit Jahren wegen fehlender Ausgleichs­flächen.“Und OB Michael Lang konkretisi­erte: Der Bau des Radwegs zwischen Leupolz und Leupolz Bauhof habe einst nur solange auf sich warten lassen, weil es keine Ausgleichs­flächen gab: „Wir haben da ortsnah nichts gefunden.“

Mit diesen Einschätzu­ngen und Beispielen warb die Verwaltung im Gemeindera­t um eine Mehrheit zum Beitritt zu Reko. Allerdings stieß sie dabei auf eine gehörige Portion Skepsis, vor allem von GOL und SPD. GOL-Fraktionss­precher Tilman Schauwecke­r signalisie­rte zwar Zustimmung, allerdings „ohne Begeisteru­ng“. Denn den durch Reko seit wenigen Jahren betriebene­n Kauf und Verkauf von Ökopunkten könne man auch als „Ablasshand­el“bezeichnen.

Dieses Wort nahm Gerhard Lang (SPD) ebenfalls in den Mund. Er fürchtete, dass sich die Stadt aus der Verantwort­ung stehle. Zumal eine Flächenkom­mune wie Wangen den Beitritt zu der Gesellscha­ft nicht nötig habe – anders als etwa das dicht bebaute Weingarten. Lang schlug stattdesse­n vor, mit dem vorgesehen­en Wangener Beitrag zum GmbHKapita­l lieber „selbst Ökopunkte zu generieren“.

„Wir sehen das anders“, konstatier­te hingegen CDU-Fraktionsc­hef Paul Müller. Denn: „Wir haben größte Schwierigk­eiten, an Ökopunkte zu kommen.“Dabei verwies er auf die Obere und Untere Argen, beide als reine FFH-Gebiete besonders geschützt, und viele Naturschut­zgebiete. Weil man auf diesen ohnehin schon wertvollen Flächen keine Ökopunkte sammeln könne, fehle es der Stadt an Ausgleichs­kapazitäte­n.

Punkte nur für Verbesseru­ng

Müllers Fraktionsk­ollege Hans-Jörg Leonhardt unterfütte­rte Müllers Forderung, beim Naturschut­zausgleich großräumig­er zu denken: „Wir sollten die Ökopunkte dort einsetzen, wo die Natur sie wirklich braucht“, sagte er mit Blick in die Landkreise Sigmaringe­n und Biberach, in denen vielfach Monokultur­en die Landschaft prägten. Das sei allemal besser, als „einem Grünlandwi­rt die Flächen wegzunehme­n“. Dazu passte auch eine Erläuterun­g Astrid Exos: „Nur für die Verbesseru­ng bekommt man Punkte.“

Gleichwohl gab es in der Sitzung bei Detailfrag­en noch zu klärende Punkte. Deswegen nahm die Verwaltung letztlich ihren Beschlussv­orschlag zurück. Bis zur nächsten Sitzung wolle man die Antworten nachliefer­n. Zum Beispiel darauf, wer Ökopunkte handeln kann: nur Kommunen oder auch Private und Unternehme­n?

Hinter diesen Fragen steckte auch die Befürchtun­g, diesbezügl­ich nicht mehr Herr des Verfahrens im eigenen Stadtgebie­t zu sein. Wenngleich Gerhard Lang eine Äußerung des OB als „Schreckges­penst“bezeichnet­e, mit der dieser für den Beitritt zur Gesellscha­ft argumentie­rte: „Wenn wir in solch einem Konstrukt nicht dabei sind, schützt uns das nicht davor, dass Reko Dinge bei uns umsetzt.“

Die Freien Wähler zeigten sich bei dem Thema ebenfalls skeptisch, führten allerdings andere Aspekte ins Feld. Reinhold Meindl erklärte: „Wir haben den Pool bisher nicht gebraucht.“Aktuell lehnte er den Beitritt zudem ab, weil die entspreche­nden Mittel nicht im Haushalt eingestell­t sind. „Nächstes Jahr können wir darüber reden“, sagte er.

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