Deal mit Ökopunkten ein „Ablasshandel“?
Rat diskutiert Beitritt zu Regionalem Kompensationspool – Ausgleich für Bauflächen außerhalb möglich
WANGEN - Wer bauen will, muss Ausgleich für die Natur schaffen. Da es immer schwieriger wird, dafür Flächen zu finden, arbeiten seit einigen Jahren 14 Kommunen, die Landkreise Ravensburg und Bodensee sowie der hiesige Regionalverband im „Regionalen Kompensationspool Bodensee-Oberschwaben“(Reko) über ihre Gebietsgrenzen hinweg zusammen. Jetzt wollen zahlreiche weitere Städte und Gemeinden der Region diesem als GmbH organisierten Verbund beitreten. Ob dies auch die Stadt Wangen tut, ist noch offen. Allerdings gab es in der jüngsten Gemeinderatssitzung eine ausgiebige Diskussion dazu. In deren Mittelpunkt stand die Frage: Ist der Handel mit Ökopunkten ein guter Deal oder nur ein Ablasshandel?
Bauamtsleiterin Astrid Exo formulierte ein Kardinalproblem der Weiterentwicklung in Wangen: „Manche Verfahren stocken seit Jahren wegen fehlender Ausgleichsflächen.“Und OB Michael Lang konkretisierte: Der Bau des Radwegs zwischen Leupolz und Leupolz Bauhof habe einst nur solange auf sich warten lassen, weil es keine Ausgleichsflächen gab: „Wir haben da ortsnah nichts gefunden.“
Mit diesen Einschätzungen und Beispielen warb die Verwaltung im Gemeinderat um eine Mehrheit zum Beitritt zu Reko. Allerdings stieß sie dabei auf eine gehörige Portion Skepsis, vor allem von GOL und SPD. GOL-Fraktionssprecher Tilman Schauwecker signalisierte zwar Zustimmung, allerdings „ohne Begeisterung“. Denn den durch Reko seit wenigen Jahren betriebenen Kauf und Verkauf von Ökopunkten könne man auch als „Ablasshandel“bezeichnen.
Dieses Wort nahm Gerhard Lang (SPD) ebenfalls in den Mund. Er fürchtete, dass sich die Stadt aus der Verantwortung stehle. Zumal eine Flächenkommune wie Wangen den Beitritt zu der Gesellschaft nicht nötig habe – anders als etwa das dicht bebaute Weingarten. Lang schlug stattdessen vor, mit dem vorgesehenen Wangener Beitrag zum GmbHKapital lieber „selbst Ökopunkte zu generieren“.
„Wir sehen das anders“, konstatierte hingegen CDU-Fraktionschef Paul Müller. Denn: „Wir haben größte Schwierigkeiten, an Ökopunkte zu kommen.“Dabei verwies er auf die Obere und Untere Argen, beide als reine FFH-Gebiete besonders geschützt, und viele Naturschutzgebiete. Weil man auf diesen ohnehin schon wertvollen Flächen keine Ökopunkte sammeln könne, fehle es der Stadt an Ausgleichskapazitäten.
Punkte nur für Verbesserung
Müllers Fraktionskollege Hans-Jörg Leonhardt unterfütterte Müllers Forderung, beim Naturschutzausgleich großräumiger zu denken: „Wir sollten die Ökopunkte dort einsetzen, wo die Natur sie wirklich braucht“, sagte er mit Blick in die Landkreise Sigmaringen und Biberach, in denen vielfach Monokulturen die Landschaft prägten. Das sei allemal besser, als „einem Grünlandwirt die Flächen wegzunehmen“. Dazu passte auch eine Erläuterung Astrid Exos: „Nur für die Verbesserung bekommt man Punkte.“
Gleichwohl gab es in der Sitzung bei Detailfragen noch zu klärende Punkte. Deswegen nahm die Verwaltung letztlich ihren Beschlussvorschlag zurück. Bis zur nächsten Sitzung wolle man die Antworten nachliefern. Zum Beispiel darauf, wer Ökopunkte handeln kann: nur Kommunen oder auch Private und Unternehmen?
Hinter diesen Fragen steckte auch die Befürchtung, diesbezüglich nicht mehr Herr des Verfahrens im eigenen Stadtgebiet zu sein. Wenngleich Gerhard Lang eine Äußerung des OB als „Schreckgespenst“bezeichnete, mit der dieser für den Beitritt zur Gesellschaft argumentierte: „Wenn wir in solch einem Konstrukt nicht dabei sind, schützt uns das nicht davor, dass Reko Dinge bei uns umsetzt.“
Die Freien Wähler zeigten sich bei dem Thema ebenfalls skeptisch, führten allerdings andere Aspekte ins Feld. Reinhold Meindl erklärte: „Wir haben den Pool bisher nicht gebraucht.“Aktuell lehnte er den Beitritt zudem ab, weil die entsprechenden Mittel nicht im Haushalt eingestellt sind. „Nächstes Jahr können wir darüber reden“, sagte er.