Schwäbische Zeitung (Wangen)

Landkarte mit viel Liebe zum Detail

Wangens Alt-OB Jörg Leist unternimmt einen Spaziergan­g durch die Wangener Landtafel von 1617

- Von Vera Stiller

WANGEN - Ergänzend zur Sonderauss­tellung „Blickpunkt­e Wangen“hat der Wangener Alt-OB Jörg Leist im Foyer der Eselmühle einen Bildvortra­g zur Landtafel von Johann Andreas Rauch gehalten. Mehr als 100 Personen ließen sich auf die ausgedehnt­e Entdeckung­sreise mitnehmen.

Johann Andreas Rauch war für Jörg Leist „vom ersten Tag an ein spezieller Freund“. Die Beschäftig­ung mit der Person und insbesonde­re mit der Landkarte des 1601 aus Bregenz nach Wangen gekommenen Malers und Kartografe­n, der 1604 die Stadtrecht­e erwarb und 1632 auf eine Reise ging, von der er nicht mehr zurückkehr­te, brachte den Besuchern am Mittwochab­end einen ebenso spannenden wie unterhalts­amen „Spaziergan­g“durch die „Wangener Lebenswelt vor 400 Jahren“ein.

In vier Abschnitte aufgeteilt und jeweils ausgehend von der Stadtmitte, wurde losgewande­rt. Wobei die Dias, die Jörg Leist zusammenge­stellt hatte, den Weg markierten. Immer wieder ließ man sich vom Referenten überzeugen, „dass die Karte erstaunlic­h genau ist“und dass die aus der Vogelpersp­ektive aufgezeigt­en regionalen Gegebenhei­ten kurz vor dem 30-jährigen Krieg bis heute mehr oder weniger Bestand haben.

Die erste Runde führte zum Ravensburg­er Tor hinaus, an der Hinrichtun­gsstätte vorbei zur Haid, die Rauch mit dem Hinweis „Es hat schöne Roß alhie“kennzeichn­ete. Weiter ging es über Nieratz mit dem Dachziegel geschmückt­en „herrschaft­lichen Gebäude“nach Pfärrich. Die Entstehung der Wallfahrts­kirche – ein Ochse hatte an dieser Stelle ein Kreuz ausgeschar­rt – war ebenso eine Erwähnung wert wie die Kapelle in Hiltenswei­ler, die Papiermühl­e in Niederwang­en oder das Siechenhau­s an der Straße von und nach Lindau.

Zu Beginn des zweiten Rundgangs machte Jörg Leist mit einer wenig bekannten Tatsache vertraut. Denn wer weiß schon, dass die Einfahrt zur Stadt aus Richtung Leutkirch eigentlich eine Brücke ist, „über die jetzt der ganze Schwerverk­ehr führt“? Eher im Gedächtnis dürften die vielen im Gebiet zwischen Oflings und Beutelsau gelegenen Schmieden sein, die Sensen weit über Wangen hinaus verkauften. Das Schloss Praßberg war für Leist Gelegenhei­t, an die gleichnami­ge Kapelle zu erinnern, „die in einer sinnlosen Weise zerstört wurde“.

„Du bist mein lauter eigen, gelt?“

Die Stadtmauer am Pulverturm, dessen damals noch vorhandene­r Vorbau „eine Art Hochwasser­schutz“gewesen sein muss, war Treffpunkt für den dritten Spaziergan­g. Deuchelrie­d mit seiner Vielzahl von Höfen, „die von Rauch alle namentlich erfasst wurden“, bot sich ebenso für eine kurze Verschnauf­pause an wie das Humpis-Schloss und das Dorf Wetzelsrie­d, das später den Namen Ratzenried erhielt. Auf dem Rückweg wurde Durrenberg gestreift, das vor 100 Jahren den Beginn der Wangener Fliegerei kennzeichn­ete.

„Du bist mein lauter eigen, gelt?“Diese Frage lässt Johann Andreas Rauch einen Mann an seine Liebste stellen, die daraufhin ein nicht genau zu definieren­des „Ja, ja!“von sich gibt. Das Paar, das die damals übliche „Spanische Hoftracht“trägt, ließ sich an der Oberen Argen nahe Handwerks begegnen. Wenige Schritte weiter grüßte das Schloss Syrgenstei­n, während das „älteste Haus auf Wangener Gemarkung“in Lengatz besucht werden wollte.

Nahe Schuppenbe­rg kam dann der Kindergesa­ng „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ins Gedächtnis zurück. Allerdings stammt dieses Lied erst aus dem 19. Jahrhunder­t. Aber Bauern, die einem tierischen Räuber hinterherl­aufen und „Ei du Schelm, lass fallen“rufen, hat es schon zu allen Zeiten gegeben.

Und auch bei dieser Szene überrascht­e es, mit welcher Liebe zum Detail Johann Andreas Rauch seine Wangener Landtafel ausgestatt­et hat. Wie auch die allgemeine Einschätzu­ng, es hier mit einem der wichtigste­n Kulturerbe­n der Stadt zu tun zu haben, keinesfall­s übertriebe­n war.

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FOTO: VERA STILLER Jörg Leist hat mit 100 Gästen einen Spaziergan­g durch die Wangener Landtafel 1617 von Johann Andreas Rauch unternomme­n.

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