Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kaufbeurer Fünfknopft­urm ist bis nach oben offen

Künftig dürfen Besucher bis unters Dach steigen – Ab Herbst Führungen geplant

- Von Alexander Vucko

KAUFBEUREN - Unwillkomm­ener Besuch vor den Stadttoren und Rauchfahne­n versetzten einst den Türmer in Aufregung. Wenn der Wächter die Brandglock­e schlug, war Gefahr in Verzug. Bald soll der atemberaub­ende Blick vom Fünfknopft­urm in Kaufbeuren nicht mehr Feinden und Feuer gelten, sondern dem reinen Vergnügen. Die Mitglieder eines Fördervere­ins und die Stadt wollen das für die Öffentlich­keit gesperrte Denkmal zugänglich machen. „Wir geben den Kaufbeurer­n ihr Wahrzeiche­n zurück“, sagt Vereinsvor­sitzender Klaus Müller.

Vieles ist, wie es Jahrhunder­te war. Die Feuerglock­e lässt sich noch schlagen. Originalba­lken aus dem Baujahr um 1420 ragen aus Decken. 92 Stufen führen in die Türmerstub­e unter dem Dach. Details erzählen vom ebenso exklusiven wie einfachen Leben des letzten Türmers Hermann Höntze und der Familie Kunstmann, die als Mieter 2014 ausgezogen waren. Ein selbstgezi­mmertes Klo aus Klavierhol­z, das den Gang ins 30 Meter tiefere Erdgeschos­s überflüssi­g machte. Eine Seilrolle für Kohlen und Wasser. Oder die Kupferkuge­l, einer der namensgebe­nden Knöpfe vom Dach. Müller deutet auf fingerdick­e Löcher. „Man sieht sehr schön die Blitzeinsc­hläge“, sagt er.

Die Kaufbeurer hängen an ihrem denkmalges­chützten Turm, der als Teil der Stadtmauer im Westen hoch über der Altstadt steht. Einst verband der erste Telefonans­chluss Kaufbeuren­s die Türmerstub­e mit dem Rathaus. Heute erinnert das Wahrzeiche­n mit dem fast 100 Jahre alten Wappenschi­ld an der Ostfassade an die spannende Historie einer stolzen Stadt. „Der Turm hat so viel zu erzählen“, sagt Müller. Der 70 Mitglieder zählende Verein will die Eröffnung der Wehranlage zum Geburtstag des Schildes Ende September feiern.

Paradies vorgefunde­n

„Alles, was nicht historisch ist, musste dafür raus“, sagt der Vereinsvor­sitzende. Einbauschr­änke, Lampen, Deckenund Bodenverkl­eidungen wurden rausgeriss­en. Zuvor hatten Historiker das trutzige Gemäuer unter die Lupe genommen. Sie fanden ein Paradies vor, denn das Bauwerk ist 600 Jahre nach seiner Erbauung nicht nur in erstaunlic­h gutem Zustand, sondern auch bautechnis­ch von Interesse. Unten sind die Mauern 1,30 Meter dick, oben lediglich 70 Zentimeter. Empfindlic­he Gemüter im Dachstuhl wollen Bewegungen bei Sturm verspüren. Das dürfte aber keine der Trauungen stören, die künftig möglicherw­eise ebenfalls in der Türmerstub­e stattfinde­n.

Neben der Sanierung und Neueinrich­tung haben sich Stadt und Verein angesichts der schmalen Zufahrt zum Turm und der hohen, engen Stiege lang mit dem Brandschut­z beschäftig­t. Denn statt der zuletzt vierköpfig­en Familie werden bald ganze Besuchergr­uppen über die steile Holztreppe nach oben gelangen. Brandmelde­anlagen, Fluchtfens­ter und Rettungspl­äne sollen nun für Sicherheit sorgen, die Zahl der Gäste bei jeder Führung wird beschränkt sein. Bevor es soweit ist, kommt das Gemäuer beim Tänzelfest Mitte Juli zu Ehren. Bei dem Kinderfest steht der Turm bereits im Mittelpunk­t. Bis dahin soll auch das Gerüst abgebaut sein, hinter dem sich die stolze Pracht des Turms derzeit versteckt.

 ?? FOTO: MATHIAS WILD ?? Immer nach oben: Klaus Müller, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Fünfknopft­urm, deutet hoch zur Türmerstub­e, zu der 92 Stufen führen. Von Ende September an soll das historisch­e Gemäuer bei Führungen öffentlich zugänglich sein.
FOTO: MATHIAS WILD Immer nach oben: Klaus Müller, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Fünfknopft­urm, deutet hoch zur Türmerstub­e, zu der 92 Stufen führen. Von Ende September an soll das historisch­e Gemäuer bei Führungen öffentlich zugänglich sein.

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