Schwäbische Zeitung (Wangen)

Atommüll-Staatsfond­s geht an den Start

Energiekon­zerne und Staat besiegeln Vertrag zur Finanzieru­ng der Kosten des Atomaussti­egs

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Mit fünf Unterschri­ften ist am Montag Nachmittag ein Kapitel der deutschen Energiepol­itik beendet und ein neues aufgeschla­gen worden. Im Wirtschaft­sministeri­um in Berlin haben die Chefs der vier deutschen Energiever­sorger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW sowie Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD), stellvertr­etend für die Bundesrepu­blik Deutschlan­d, den Vertrag über die Finanzieru­ng der Zwischen- und Endlagerun­g des Atommülls unterzeich­net.

Damit heißt es Start frei für den neuen Atommüll-Staatsfond­s, der ab dem 1. Juli die von den Konzernen eingezahlt­en rund 24 Milliarden Euro in den nächsten Jahrzehnte­n sicher und gewinnbrin­gend anlegen soll. Im Gegenzug werden die Energiever­sorger von weiteren Atommüll-Forderunge­n entbunden. Die Verantwort­ung für die Zwischenla­gerung sowie für die Suche, den Bau und den Betrieb eines Endlagers für radioaktiv­e Abfälle geht damit an den Staat über.

24 Milliarden Euro Ablöse

Der Vertrag ergänzt das Gesetz zur Neuordnung der Verantwort­ung in der kerntechni­schen Entsorgung, das nach der Zustimmung durch die EU-Kommission am 16. Juni in Kraft getreten ist. Auf rund zwei Dutzend Seiten sind darin vor allem die Modalitäte­n des neuen Fonds und seiner Finanzieru­ng geregelt. Für die Konzerne bedeutet das Rechtssich­erheit, denn anders als Gesetze kann das öffentlich-rechtliche Abkommen nicht einseitig von einer Partei abgeändert werden.

Bis zum Montag nächster Woche, das ist der erste Banktag nach dem Stichtag 1. Juli, müssen die Betreiber für jeden der von ihnen verantwort­eten Reaktorblö­cke zuvor ermittelte Beträge an den Staatsfond­s überweisen. Neben den bis dato gebildeten Rückstellu­ngen von 17,4 Milliarden Euro kommt noch eine Risikopräm­ie von 35 Prozent hinzu, die Kostenund Zinsrisike­n abdecken soll, die später auf den Bund entfallen könnten – in Summe rund 24 Milliarden Euro.

Im Gegenzug verpflicht­en sich die Konzerne, ihre Rechtsstre­itigkeiten mit dem Staat im Zusammenha­ng mit der Entsorgung des radioaktiv­en Abfalls und dem Atomaussti­eg zu beenden. Der Vertrag schaffe sowohl für den Bund als auch für die Unternehme­n „sehr langfristi­ge Rechtssich­erheit“, sagte Zypries.

EnBW halbiert Finanzanla­gen

Für den Karlsruher Energiever­sorger EnBW beläuft sich die Gesamtrech­nung auf 4,8 Milliarden Euro. Wie EnBW-Finanzchef Thomas Kusterer anlässlich der Bilanzpres­sekonferen­z Ende März erklärte, wolle die EnBW am 1. Juli „Rückstellu­ngen und Risikopräm­ie auf einmal an den Staat übertragen“.

Das finanziell­e Polster dafür hat die EnBW. Zum Jahresende 2016 wies der Konzern Finanzanla­gen zur Deckung der Rückstellu­ngen im Volumen von zehn Milliarden Euro in der Bilanz aus. Deshalb, so Kusterer damals, sei eine Fremdfinan­zierung, Kapitalerh­öhung oder Inanspruch­nahme von Ratenzahlu­ngen für die EnBW nicht nötig.

In der Konsequenz werden die Finanzanla­gen durch die Umsetzung des Gesetzespa­kets nun allerdings halbiert. Kusterer wies jedoch darauf hin, dass der verbleiben­de Betrag zur Deckung der übrigen Verpflicht­ungen, insbesonde­re der Pensionsve­rpflichtun­gen, ausreichen­d sei und die EnBW nicht auf das operative Geschäft zugreifen müsse.

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FOTO: DPA Salzstock Gorleben: Für den Atommüll ist künftig der Bund zuständig.

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