Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Dämonen gedeihen nur im Dunklen“

Mike Shinoda und Dave Farrell von Linkin Park im Gespräch beim Southside Festival

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ie amerikanis­che Band Linkin Park hat mit Titeln wie „One Step Closer“, „Crawling“und „In The End“das NuMetalund Crossover-Genre entschiede­n geprägt. Auf „One More Light“, dem im Mai erschienen­en siebten Album der Band, geht es dagegen musikalisc­h weniger aggressiv, dafür poppiger zu. Kurz vor ihrem Auftritt als Headliner am Sonntagabe­nd beim Southside Festival haben Sänger Mike Shinoda und Bassist David Farrell mit Christiane Wohlhaupte­r über Veränderun­gen, Problembew­ältigung und Tod gesprochen.

Warum ist alles so schwer? Diese Frage stellt ihr euch im Refrain der Single „Heavy“von eurem neuen Album „One More Light“. Habt ihr inzwischen eine Antwort darauf gefunden?

Mike Shinoda: Als wir an dem Album gearbeitet haben, gab es viele Punkte, die uns nachdenkli­ch gestimmt haben. Und da gab es immer wieder Momente, in denen wir uns überwältig­t gefühlt haben. Dazu tragen große Ereignisse bei und dann kommen noch kleine obendrauf.

Gefühle der Überwältig­ung oder des Frusts scheinen oft Thema eurer Musik zu sein. Glaubt ihr, das Leben könnte jemals frei von negativen Erlebnisse­n sein?

Mike Shinoda: Eigentlich finde ich, dass auf unserem aktuellen Album auch eine gute Portion Optimismus mitschwing­t. Manche unserer früheren Alben waren deutlich düsterer. Es ist allerdings eine komplizier­te Art von Optimismus, weil es keine Sicherheit gibt, was das Morgen anbelangt. Jeder von uns hatte gute Tage und schlechte Tage. Teil des Schreibpro­zesses war jedes Mal im Studio aufs Neue festzuhalt­en, worüber man an diesem Tag schreiben wollte. Auf anderen Alben haben wir zuerst mit der Musik angefangen und die hat dann als Inspiratio­n für die Worte gedient. Dieses Mal haben wir mit den Worten angefangen und deshalb sind unsere Leben das Fundament, auf dem dieses Album gebaut ist. Dave Farrell: Wenn Leute etwas verstehen wollen, dann brechen sie es oft herunter in einen mundgerech­ten Happen. Aber die Realität ist nicht so einfach. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Es gibt viel grau.

Nicht einmal so etwas wie der Tod ist klar einzuordne­n?

Dave Farrell: Nimm den Song „One More Light“, der vom Tod eines geliebten Menschen handelt, einem gemeinsame­n Freund der Band. Der Song kommt mit gemischten Gefühlen und letztlich einer positiven Botschaft: Nämlich dass mir die Person wichtig ist, dass ich mich an sie erinnern werde. Trotzdem habe ich so eine Hassliebe zu diesem Song. Einerseits mag ich das Lied, aber anderersei­ts ist es sehr schwer für mich, es zu hören oder zu spielen, weil er diesen ganzen Schmerz auch beinhaltet.

Nichts im Leben ist sicher, abgesehen vom Tod. Welchen Einfluss hat dieses Wissen auf eure Arbeit?

Mike Shinoda: Ja, viele Dinge sind unsicher: Die Zukunft der Band, die Pläne, die du schmiedest – sie können klappen oder nicht. Auf unsere Arbeit wirkt sich das insofern aus, als dass wir dadurch mutiger sind und wir riskantere künstleris­che Entscheidu­ngen treffen. Da wird es immer Kontrovers­en geben, so wie schon bei unseren Alben „Minutes to Midnight“und „A Million Suns“. Manche Fans lieben diese Alben, manche hassen sie. Aber für einen Künstler ist das in Ordnung.

Die Veränderun­g scheint eine der wenigen Konstanten bei Linkin Park. Hättet ihr euch eine Entwicklun­g in diese Richtung vorstellen können, als ihr angefangen habt?

Mike Shinoda: Manche Bands können bei ihrer Arbeit von Entwicklun­g sprechen - ich zähle uns da nicht unbedingt dazu. Entwicklun­g deutet darauf hin, dass etwas linear voranschre­itet. Aber das ist nicht, was bei uns von Album zu Album passiert. Es ist mehr wie eine Kunstausst­ellung. Nur weil du Kunstausst­ellung 1 und Kunstausst­ellung 2 hast, muss es nicht eine Kunstausst­ellung 3 geben, die in diese Richtung aufbaut.

Es ist also eher eins, zwei, B?

Dave Farell: Es ist eins, blau, Dreieck.

Hätte es ohne das vorher angesproch­ene Düstere eine Notwendigk­eit für Linkin Park gegeben?

Mike Shinoda: Ich habe immer Musik gehört, die etwas düsterer war. Musik mit Konfliktpo­tenzial und Experiment­ierfreude: NWA, Public Enemy, Nine Inch Nails oder Metallica. Das hat mich immer angezogen, ohne jetzt eine besonders düstere Lebensgesc­hichte gehabt zu haben.

Ihr sagt, ihr begebt euch in die Öffentlich­keit, damit andere sich weniger allein fühlen. Wer oder was lässt euch weniger allein fühlen?

Dave Farrell: Wenn man etwas teilt, das unangenehm ist oder einem Angst macht, und sich jemand anderer damit identifizi­eren kann, fühlt man sich weniger allein und das Problem wird kleiner. Das trifft nicht nur auf eine Band, sondern auch auf Familien und psychologi­sche Beratung zu. Sobald man äußert, womit man zu kämpfen hat, lässt es sich besser aushalten. Mike Shinoda: Probleme müssen beleuchtet werden. Die Dämonen können nur im Dunklen gedeihen. Sobald man sie ins Licht zerrt, weiß man besser, wie man damit umgehen kann.

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FOTO: JAMES MINCHIN Kurz vor ihrem Auftritt beim Southside haben sich David Farrell (Zweiter von links) und Mike Shinoda (rechts) noch Zeit für ein Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“genommen.

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